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des Wahlkreises Isfahan vor und bat um das Einverständnis Seiner Eminenz. â Ich werde ihn etwas fragen, grummelte Kaschani: Wenn seine Antwort mich zufriedenstellt, werde ich mein Einverständnis erteilen. GroÃvater rutschte das Herz in die Hose. Was würde der Ajatollah ihn fragen? â Sag mal, du Analphabet, wandte sich Kaschani an GroÃvater selbst, wirst du unseren Gegnern die Eier schleifen? Beinah hätte GroÃvaters Anspannung sich in lautem Gelächter entladen. Daà Kaschani ihn für ungebildet hielt, erklärte GroÃvater sich damals mit dem Bart, den auÃer den Mullahs gewöhnlich nur Dörfler und Angehörige der unteren Schichten trugen, während Politiker glattrasiert waren und durch ihre unbequeme Haltung auffielen, wenn sie auf einem Teppich hockten. Später erfuhr er, daà der Ajatollah die meisten Besucher, selbst Professoren, Ãrzte und Abgeordnete, als Analphabeten anredete. Wahrscheinlich war es eine Methode, sie zu demütigen und ihnen von vornherein klarzumachen, wer das Sagen hatte, vermutet GroÃvater. Auf die Frage selbst muÃte er gar nicht antworten, da ihm der Prediger sogleich mit einer Eloge beisprang. â Schon gut, schnitt Kaschani dem Prediger das Wort ab und knurrte die nächste Besuchergruppe an, die bereits auf der entgegengesetzten Seite des Teppichs hockte. Die Kandidatur war bewilligt, ohne daà GroÃvater mehr gesagt hätte als guten Tag und auf Wiedersehen. Der Besuch bei Ajatollah Kaschani war also der Grund, nehme ich an, warum er mit Mozaffar Baghaà und Khalil Maleki die Stadt verlieÃ, denn kurz darauf wurden die Plakate mit seinem Photo gedruckt, die meine Mutter auf dem Schulweg entdeckt haben will. Tatsächlich sind die Poster nie geklebt, die Broschüren nie verteilt worden, schreibt GroÃvater. Seine politische Laufbahn dauerte nur ein paar Wochen.
Weil es angesichts der GröÃe des Landes und den ungenügenden Verbindungswegen nicht anders zu organisieren war, wurde damals zunächst nur in der Hauptstadt gewählt. Wenn das dortige Ergebnis bereits feststand und die Vorentscheidung bereits gefallen war, stimmte nach und nach das restliche Land ab. Die Abstimmung in Teheran gewann Ahmad Zirakzadeh, der nach dem Triumph in seine Heimatstadt Isfahan fuhr, um sich auf einer Kundgebung der Iran-Partei feiern zu lassen. Als örtlicher Kandidat der Nationalen Front lud GroÃvater ihn für den Abend zu einem festlichen Essen ein. Ich weià nicht, ob er wieder den fremden Koch und das Personal der Nationalbank ins Haus holte, aber wenn er es tat, dürfte GroÃmutter ihm mit ihrem Gezeter bereits vor dem Eintreffen der Gäste die Stimmung verdorben haben. Sie wird die Türen geknallt und mit der jüngsten Tochter an der Hand zu ihrer Schwester marschiert sein, vielleicht drohte sie gar mit Scheidung. Sie war kein junges Mädchen mehr, das sich eine Demütigung zweimal gefallen lieÃ. Die Verhältnisse hatten sich geändert. In Teheran machten Frauen als Dichterinnen, Sängerinnen oder Schauspielerinnen von sich reden, auch auf den Parteiversammlungen mischten sie mit, wie die Zeitungen berichteten, und innerhalb der Nationalen Front bildeten sich feministische Gruppen wie die »Organisation der fortschrittlichen Frauen«. Und dann die Photos in den Zeitschriften! Elegante Damen in knielangen Röcken, die bei öffentlichen Anlässen gemeinsam mit ihrem Gatten auftraten, einem Minister, einem Staatsbeamten, einem Professor, oder sogar selbst schon Professorinnen waren. Isfahan mochte konservativ sein im Vergleich zu Teheran, Mittelalter im Vergleich zu Paris, aber das bedeutete nicht, daà sich Isfahanerinnen alles gefallen lieÃen, schon gar nicht GroÃmutter, die wenige Jahre später in Frankreich streitende Liebespaare aus den Zelten zerren sollte. Auch wenn sie keine höhere Schule besucht hatte, die es in ihrer Kindheit für Mädchen noch nicht gab, las sie doch viel, die Zeitungen, die GroÃvater mit ins Haus brachte, klassische Poesie, von Victor Hugo bis Tolstoi die Weltliteratur, und war nie um eine Meinung verlegen. Was der aufgeklärte Doktor Mossadegh, der im schweizerischen Neuchâtel und damit sozusagen in Paris studiert hatte, gleich nach der Verstaatlichung des Erdöls gefälligst anpacken sollte, war nicht etwa die Restaurierung der Scharia, wie es in GroÃvaters Wahlkampfbroschüre an erster Stelle stand,
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