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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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– und die alerten Diplomaten des britischen Imperiums ein zweites Mal wie Drachen eines vergangenen Zeitalters aussahen, die der alte Mann mit einem Florettstich ins Auge erledigte. Eben weil er auf dem internationalen Parkett nicht zu stellen war und sich nach seinen Auslandsreisen ein Meinungsumschwung in der Weltöffentlichkeit anbahnte, sann die britische Regierung darauf, den Premierminister auf andere Weise loszuwerden. Dabei profitierte sie davon, daß Mossadegh nicht nur Sympathien zu gewinnen verstand, sondern es mindestens so gut beherrschte, sich Feinde zu machen, profitierte sie von seiner Unfähigkeit oder Unwilligkeit zu Kompromissen, taktischen Zugeständnissen und verschleiernden Formulierungen, zu der Manieriertheit, den Schmeicheleien und den Lügen, die die persischen Rituale der Gesprächsführung noch mehr als die Gepflogenheiten der Diplomatie verlangen. Mossadegh war ein Held, wie es in der Politik eines Landes nur alle fünfzig oder hundert Jahre einen geben kann, aber ein Politiker war er nicht. Wäre er nur ein wenig anpassungsfähiger gewesen, hätte er im Laufe von siebzig Verhandlungsstunden mit der Truman-Administration in Washington, die ihm wohlgesinnt war, wahrscheinlich eine halbwegs passable Lösung in der Ölfrage erzielen können. »Jetzt schicken Sie mich nach Hause, nicht?« fragte Mossadegh den amerikanischen Unterhändler, der ihn während des sechswöchigen Aufenthalts fast täglich besucht hatte. »Ja«, antwortete der Unterhändler: »Ich muß Ihnen leider mitteilen, daß wir den Graben zwischen Ihnen und den Briten nicht überbrücken können. Wir sind darüber genauso enttäuscht wie Sie.« Das war nicht nur so dahergesagt, sondern drückte offenbar auch das Empfinden von Harry Truman aus, der Mossadegh von der ersten Begegnung an mochte, seinen Charme, seine manchmal albernen oder sagen wir kindlichen Witze, seine aristokratische Erscheinung und die extreme Bescheidenheit in persönlichen Dingen, auch Mossadeghs leicht exzentrischen, aber doch liebenswerten Gewohnheiten wie die ansteckenden Lachanfälle oder die Art, wie er sich scheinbar ermattet auf seinen Stock stützte, um sich wie auf Knopfdruck wieder aufzurichten und beim Reden mit seinen langen Armen in der Luft zu wirbeln wie mit Fahnen. Vor allem aber überraschte Mossadegh den Präsidenten, die Administration und bei seinen diversen Auftritten an Universitäten die Studenten oder im Fernsehen die Zuschauer als ein orientalischer Führer, der keine geschichtliche Leistung mehr bewunderte als den amerikanischen Unabhängigkeitskampf. Auf der Fahrt nach Washington legte er einen genial geplanten Zwischenstopp in Philadelphia ein, um vor der Independence Hall und den Kameras der Weltpresse zu verkünden, daß sie die Hoffnungen symbolisiere, die Amerikaner und Iraner eint. Hunderte Schaulustige jubelten, als er sich vor der Liberty Bell photographieren ließ. Das Time- Magazin wählte ihn danach zum Mann des Jahres 1952, nannte ihn den »iranischen George Washington« und »den berühmtesten Mann, den seine alte Rasse seit Jahrhunderten hervorgebracht hat und in mancherlei Hinsicht die bemerkenswerteste Figur der heutigen Weltpolitik«. Und doch wurden ihm ausgerechnet die Vereinigten Staaten zum Verhängnis, die der Premierminister mehr als jedes andere Land achtete und wo er anders als in Europa zunächst geachtet wurde. »Ich weiß, warum Sie kommen, und die Antwort ist immer noch nein«, sagte er, schon mit gepackten Koffern, als ihn ein amerikanischer Diplomat aufsuchte, der Persisch sprach, um ihn in letzter Minute doch noch zum Einlenken zu bewegen. »Doktor Mossadegh«, erwiderte der Diplomat, »Sie waren lange Zeit hier. Ihr Besuch hat viele Hoffnungen geweckt, daß er Früchte trägt, und jetzt kehren Sie mit leeren Händen zurück.« Doktor Mossadegh sah den Diplomaten direkt an und fragte: »Begreifen Sie nicht, daß ich in Iran mit leeren Händen eine viel stärkere Position habe, als wenn ich meinen Fanatikern einen Vertrag verkaufen müßte?« Bei jedem einzelnen seiner Zerwürfnisse – mit den Amerikanern, mit Ajatollah Kaschani, mit Mozaffar Baghaí, mit dem Schah und manchen anderen Verbündeten in Iran, die ich gar nicht erwähnt habe – könnte man sagen, daß Mohammad Mossadegh nur seinen Idealen treu geblieben sei. Man könnte

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