Dein Name
erläutert, bis die Tränen in ihren eigenen Augen stehen. Die letzten Ländereien waren ihm genommen worden, Tschamtaghi, seit Generationen der Landsitz der Familie, besetzt und verwüstet. Ein kommunistischer Mullah, der später hingerichtet werden sollte, hatte die Bauern aufgewiegelt, die für den GroÃvater arbeiteten. Dabei hatte GroÃvater Papiere, nicht nur für den Boden, sondern für jeden einzelnen Bauern, wie die Mutter betont, Arbeitsverträge, Krankenversicherung, Steuererklärungen, da lief nichts heimlich oder illegal, aber erklär das ein Jahr nach der Revolution einem Richter oder der Polizei, wenn ein Mullah schreit, Tod den Grundbesitzern! und Lang lebe die Herrschaft des Volkes! GroÃvater war zu gebrechlich, und dann starb noch der einzige der beiden Söhne, der den Kampf hätte ausfechten können. Ihr älterer Bruder sei damals schon für nichts Praktisches zu gebrauchen gewesen, sagt die Mutter. Das körperliche Leiden setzte GroÃvater ebenfalls zu, vor allem die Blasenschwäche, die ihn regelmäÃig vor allen Leuten demütigte. Und schlieÃlich die Revolution â was ich gar nicht mehr wuÃte: GroÃvater unterstützte die Revolution so glühend, wie er sein konnte, und lieà sich von der Tante im Rollstuhl zu den Demonstrationen schieben. Dort muÃte er wieder pinkeln, erinnert sich die Mutter. Die Tante rollte den Stuhl zum StraÃenrand und zog dem Haupt der Familie die Hose herunter. GroÃvater war Nationalist, Republikaner, verehrte Doktor Mossadegh, für den er Anfang der fünfziger Jahre ins Parlament ziehen sollte, vertraute wie so viele andere den Versprechen und Erklärungen, die Ajatollah Chomeini vor der Revolution gab, und hoffte nach der Revolution auf den liberal-islamischen Ministerpräsidenten Mehdi Bazargan, den er persönlich kannte. Als die Hinrichtungen begannen, verwandelte GroÃvater sich von einer auf die andere Woche zum erbitterten Gegner der Revolution, noch bevor Mehdi Bazargan aus Protest gegen die Besetzung der amerikanischen Botschaft zurücktrat. Wie üblich, wird Wut über sich selbst mitgeschwungen haben, Wut über den eigenen Irrtum. Auch der Bruder seines Schwiegersohns war hingerichtet worden, Mehdi Nurbachsch, vor der Revolution Polizeichef der Stadt Choramabad, obwohl sich die Beschuldigungen als Verleumdung erwiesen hatten. In der Nacht vor seiner Freilassung fuhren alle nach Teheran, auch meine Mutter, um Mehdi Nurbachsch aus dem Gefängnis abzuholen, und als sie morgens eintrafen, war er hingerichtet worden, weil der Gefängnischef die Begnadigung in der Jackentasche hatte verschwinden lassen, eine Privatfehde, wie sich herausstellte, der Gefängnischef wurde entlassen, Mehdi Nurbachsch im Radio zum Märtyrer erklärt und GroÃvater endgültig in Aufruhr versetzt. SchlieÃlich kannte er die Mullahs, sagt die Mutter, kannte die Mullahs nur zu gut. Wenn die Rede auf den Revolutionsführer kam, zitierte GroÃvater oft den Vers des gepriesenen Saadi: »Erreichst du etwas durch Gewalt bei uns, bei Gott kannst und wirst du nichts erreichen. / Gewalttat übe nicht am Erdenvolk, daà seine Klagen nicht zum Himmel reichen!« Bestimmt war die Wut GroÃvaters auf die Mullahs deshalb so groÃ, weil er ihnen gegen besseres Wissen vertraut hatte. Die schlimmsten Schmähungen lieà er auf sie herabkommen, insbesondere auf Chomeini selbst, Flüche, Verdammungen, Schimpfwörter, daà die Familie sich sorgte, jemand könne ihn bei einem Revolutionsgericht denunzieren. Es geschah nicht. GroÃvater lebte noch zwei, drei Jahre und schrieb in dieser Zeit, vermutet die Mutter, sein Leben auf. Ja, antwortete die Mutter, er wollte die Selberlebensbeschreibung veröffentlichen, gab sie seinem gelehrtesten Freund zu lesen, der beschied, daà das Manuskript nur für die Familie lesenswert sei, nicht für das allgemeine Publikum, das GroÃvater also tatsächlich im Sinn gehabt hatte, das allgemeine Publikum, das sich für die iranische Zeitgeschichte interessiert. Das traf ihn sehr, bestätigt die Mutter. Sofort verwarf er alle Gedanken, das Manuskript einem Verlag vorzulegen, verfügte in seinem Testament jedoch, daà es abgetippt und an seine Kinder verteilt würde. Das dauerte, wenn der Sohn richtig rechnet, immerhin fünfzehn, sechzehn Jahre. Nicht einmal sie habe GroÃvaters Selberlebensbeschreibung vollständig
Weitere Kostenlose Bücher