Dein Name
aber kann auch über nichts anderes schreiben, auÃer daà er mit der Tante in Teheran telefonierte, die ins Glied zurückgetreten, das kann oder sollte er schreiben, da es die zweite Nachricht ist, die der 31. August 2006 gebracht hat.
Ãber das Buch, das heute in der Post lag, kann er ohne Bedenken schreiben: » SPERRFRIST unbedingt beachten: 1. SEPT. 2006«. Um 12:14, 12:16, 12:18, 12:27 Uhr auf dem Telefon, dem Wecker, dem Handy, dem Laptop schlägt er Seite 37 auf, die das Photo von der Bergung eines Ertrunkenen vor Fuerteventura zeigt: drei Männer seines Alters in Tauchanzügen, die einen dunklen, schmächtigen Körper mit Plastikhandschuhen auf ein Schlauchboot ziehen. Der Taucher links, ein Glatzkopf, zieht an einer kurzen Schnur, die um die Knie der Leiche geführt ist. Mit der anderen Hand, der linken, hat er den Hosenbund gepackt. Der Taucher in der Mitte, der die Lippen vor Anstrengung aufeinanderpreÃt, scheint an der Unterhose zu ziehen. Der rechte Taucher hält mit beiden Händen den Arm der Leiche fest, der mit der Hand nach oben senkrecht in der Luft steht, als würde sie auf Gott zeigen. Der Ãrmel des T- Shirts ist dicker als der eines Bodybuilders. Der Kopf, der in die Kamera schaut, spottet grobkörnig jeder Beschreibung: kreisrund, ob ohne oder mit kurzen Haaren, ist nicht zu erkennen, im Gesicht zwei weiÃe, riesige Kuhlen, in denen Augen sein müÃten; die Nase ein Fleck, der Mund ein Strich. Man denkt, das Gesicht sei unscharf aufgenommen, aber der Rest des Bildes ist scharf. Das Photo auf der gegenüberliegenden Seite des Buches, dessen Sperrfrist heute abläuft, zeigt von einer anderen Leiche nur das Gesäà und den Rücken, eine enge Jeans, eine schwarze, vom Wasser glänzende Jacke aus Leder, die zusammen mit dem Hemd bis hoch an die Schulter gerutscht ist. Der Kopf steckt im Wasser, eine Ferse lugt hervor. Im Gegensatz zum Gegenüber sieht der Körper kräftig aus, beinah vollschlank, aber wahrscheinlich ist auch er nur aufgedunsen. Drei Urlauber in Badehosen auf einem winzigen Schlauchboot mit Motor, das in voller Fahrt zu sein scheint, blicken aus vielleicht vier Meter ratlos auf die Leiche. »Begegnung auf den Kanarischen Inseln« steht unter dem Photo. Bestimmt gibt es auch eine andere Seite, wie immer, und wie immer hat die andere Seite ihre Gründe. Dickens muà so einen Impuls gehabt haben, als er die Fabriken besichtigte mit den Kindern darin â den natürlichen Impuls zu fordern, daà das aufhören muÃ, egal wie, egal, welche Gründe und Erklärungen die andere Seite vorbringt. Was denn die Lösung wäre, wurde Dickens und werden heute diejenigen gefragt, die über den Tod an Europas Grenzen berichten. Wer erst handelt, wenn er eine Antwort hat, wird nie eine finden. Die meisten Photos in dem Buch, das heute in der Post lag, sind ähnlich grauenvoll, die Kriegsschiffe zum Beispiel, weil man weiÃ, wen sie bekämpfen, die Leichen, die ans Ufer gespült wurden, und die freundlichen Gesichter von Flüchtlingen, neben deren Namen ein Kreuz steht. Er benötigt Hilfe, professionelle Hilfe, wenn sie wieder eine Familie werden sollen, am besten ein ganzes Hilfskomitee. Daà er es der Frau gestand, erwies sich als Erleichterung. Hinterher haben sie miteinander geschlafen, das erste Mal wieder. Alles, was ihn gequält hatte, schien für eine Stunde verflogen, auch ihr Aussehen wieder so sexy. Sie ist voller Aufbruch, gefährdet noch, aber voller Energie und guter Vorsätze. Jetzt wäre die Ehe möglich, die er sich ausmalte, das Alleinsein wie das Gemeinsame. Nur er ist aus dem Bild verschwunden. Er könnte sich ohrfeigen, kommt sich vor wie der Stürmer, der allein vor dem leeren Tor den Ball verfehlt, oder wie der Marathonläufer auf der Zielgeraden, der keine Kraft mehr hat zu laufen, wobei die Bilder falsch sind, denn was ihm die Kraft nimmt, ist die Angst, daà es nach dem Tor oder dem Ziel genauso weitergehen wird wie zuvor, immer weiter, bis der Roman zu Ende ist, den ich schreibe. Die Tränen schieÃen erst auf Seite 68 ins Auge, wenn nicht wegen der Freundin, die Krebs hat, oder der Frau, die er liebt. »Received: from GCC at Globe Wireless; Mon, 21 Jun 2004 06:53 UTC «, teilt ein Schiffskapitän mit, daà seine Matrosen »im ansonsten leeren, mit aufgeweichtem Brot etc. angefülltem Boot« einen Brief gefunden hätten, den er im
Weitere Kostenlose Bücher