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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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Anhang mitsende. »Leider kann Ben nur die Sprache, aber nicht die Schrift. Ihr habt doch sicher jemanden, der das übersetzen kann, möglicherweise eine Segelanweisung.« Darunter ist der arabische Brief faksimiliert: »Lieber Gott, / wenn du meinst, daß die Fahrt gut ist, laß sie gut enden. Wenn du meinst, daß sie nicht gut ist, verhindere sie. / Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen. Gott ist der alleinige Herrscher. Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen. / Gott, laß diese Reise gut enden. Gott, wir flehen Dich an, laß uns auf dieser Reise keine Schwierigkeiten haben. / Gott ist gnädig und barmherzig und Herrscher über Himmel und Erde. Es gibt keinen Gott außer Gott. Führe uns den Pfad, den graden.«
    Der Bildhauer in München legte letzte Woche auf, als er zu heulen anfing. Zuvor hatte er mit jeder Nachfrage auch den Rückruf verboten. Gleich nach der Begrüßung hatte er den Freund aus Köln gebeten, nicht nachzufragen, eine schlechte Nachricht, aber bitte frag nicht nach. Sie will nicht, daß jemand es erfährt. Warum hat der Bildhauer es dem Freund dennoch gesagt, also offenkundig das Verbot selbst mißachtet? Nicht reden, nur gesagt haben wollte er es ihm und nur ihm. Meinte er mit dem Verbot den Roman, den der Freund vier Absätze zuvor nach München geschickt hat, nur neun Tage seither vergangen, aber laut Prognose, die er sich im Internet und bei den Brüdern zusammenklaubte, die Mediziner sind, zu fünfzig oder siebzig Prozent ein ganzes Leben? Mehrfach sagte der Bildhauer, der den Roman, den ich schreibe, doch wohl nicht gelesen haben wird, daß er keine Hilfe haben möchte. Ich fliege nach München, sagte der Freund, ich bin da, wenn du abends aus der Klinik heimkehrst. Natürlich wäre es ein Problem mit der Tochter, wie sollte das gehen?, mitnehmen müßte er sie, die denken würde, daß die Welt nur noch aus Kranken besteht. Bitte, flehte der Freund den Bildhauer an, sag mir, wenn ich etwas tun kann, nimm Hilfe in Anspruch. Ob der Freund den Sohn des Bildhauers anrufen solle, den Musiker? Nein, erwiderte der Bildhauer, du darfst es doch nicht wissen. Kurz danach brach er ab, um nicht in die Muschel zu heulen. Wir haben mit dem Landeanflug auf Zürich begonnen. Bitte schalten Sie alle elektronischen Geräte aus.
    An den grünen Hängen oberhalb des Dorfs gelegen, am Fuße einer steinernen Kirche, werden die Trauernden mit einer Aussicht belohnt wie von einer Postkarte. Innerhalb der Friedhofsmauer ist die Mitte zwischen Protz und Gleichgültigkeit, Pflege und Verfall, so exakt getroffen, daß sich die Vorbehalte gegen die westchristliche Verzierung des Todes relativieren: Vielleicht gäbe es doch vertretbare Alternativen zu den Steinfeldern, auf denen die Menschen in Iran beigesetzt werden, vielleicht ist nicht alles Betrug oder jedenfalls unstatthaft, was mit dem Tod versöhnt. Mehrmals erwischte er sich selbst bei dem unsinnigen Gefühl, es tröstlich zu finden, daß Claudia Fenner an solchem Ort ruht, so friedlich. Zwei Stunden später vor seinem Auftritt antwortete die Reporterin eines Nachrichtenmagazins auf die Frage, welches Kriegsgebiet sie zuletzt besucht habe, daß sie derzeit nicht reise, weil sie ihre krebskranke Mutter pflege, eine wundervolle Dame. Dem Kollegen stand in der Kürze der Zeit, die auf der Hinterbühne bis zu seinem Auftritt blieb, kein Mittel zur Verfügung, der Reporterin klarzumachen, wie richtig er das Verhalten findet. Jeder weitere Hinweis hätte sich auf die prätentiöse Mitteilung reduziert, daß er gerade ein Buch über den Tod schreibe und sich daher auskenne. Ihre Ausstrahlung hatte sich verwandelt; sie lächelte, suchte den Kontakt der Augen und war beinah anhänglich, als fände sie den Kollegen nicht unerträglich, wie dieser angenommen hatte. Ihr Vortrag, mit größerem Applaus bedacht, predigte so penetrant dem guten Willen der Menschheit, daß der Kollege sich bei der Bürgerinitiative Frieden für alle wähnte. Es wird nicht nur an der kranken Mutter gelegen haben, daß die Reporterin verändert wirkte; der Kollege wird auch vorher nicht genau hingeschaut haben, bei den zwei, drei Diskussionsrunden, in denen sie sich getroffen hatten, in den zwei, drei Flughafenlounges. Zu wissen, daß nichts im Leben der Reporterin so wichtig ist wie die Nächste, die stirbt, korrigierte den Blick

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