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konnte einem iranischen Kind um die Jahrhundertwende nur im Affekt geschehen, nehme ich an; ich hätte es mir als Elfjähriger, obwohl ich unter den vier Brüdern seit jeher als der Aufsässige galt, gegenüber meinem iranischen Vater jedenfalls nie getraut, ich hätte den Vater trotzig angesehen oder zu Boden geschaut oder ein Widerwort gegeben, das hätte ich vielleicht getan, wenn ich all meinen Mut zusammengenommen hätte. Selbst das Widerwort zeigt noch Respekt an, ehterâm , wie auf persisch das Schlüsselwort für das Verhältnis zu den Ãlteren heiÃt. Ihn gruÃlos stehenzulassen muà auf UrgroÃvater wie die Respektlosigkeit schlechthin gewirkt haben. GroÃvater erwähnt keine Strafe. Er ist sich nur sicher, absolut sicher, wie er bekräftigt, nie wieder im Leben eine Zigarette angerührt zu haben. So entschieden sei seine Ablehnung, daà andere sich über ihn lustig machten, und zwar nicht nur in seiner Jugend, wie er schreibt und ich weiÃ. Wenn auch liebevoll, verspotteten meine älteren Cousins durchaus GroÃvaters Marotten, seine Tugendhaftigkeit, seinen Ernst, nicht in seiner Anwesenheit, natürlich nicht, dennoch wird er sich seinen Teil gedacht haben, und wenn er sie dennoch mahnte, das Gebet zu verrichten oder ihre wertvolle Zeit nicht mit Kartenspielen zu vergeuden, verdrehten die Enkel auch schon mal die Augen. UrgroÃvater tat alles für die Erziehung und Bildung seiner Kinder, selbst wo es über seine Verhältnisse ging. Er liebte sie, er lieà es ihnen an nichts fehlen, und doch war er niemand, der Gefühle zeigte, zeigen wollte. An dieser Stelle erzählt GroÃvater die Episode, wie er UrgroÃvater die Hand küssen wollte. Er war mit seinen Mitschülern aus einem Grund, an den er sich nicht mehr erinnert, mitten im Schuljahr zu einem Besuch in Isfahan eingetroffen. UrgroÃvater war nicht nur böse wegen des Handkusses, sondern auch wegen des verpaÃten Unterrichts in Teheran, und wollte nichts wissen von einem Grund, welchem auch immer, wollte GroÃvater die ersten Tage nicht einmal empfangen.
Die Gnädige Frau meldet sich in München selbst, nicht der Bildhauer, der Anrufbeantworter oder das Fax. Heute war sie zum ersten Mal eine Viertelstunde vor der Tür, Spätsommer, sie sind spazierengefahren durch die Stadt. Daà sie die Unruhe, die Schlaflosigkeit, die sie jetzt mit Medizin bekämpft, die Schwäche benennen kann, ist ein gewaltiger Fortschritt für die paar Tage. â Wie geht es deiner Frau? fragt sie als erstes. Wie verwandelt wirke sie auf ihn, antwortet der Freund aus Köln, ohne nachzudenken, als spräche er mit der Gnädigen Frau wie immer, nein, nicht wie verwandelt, sondern verwandelt. â Ich verstehe deine Frau so gut, seufzt die Gnädige Frau und fügt hinzu, daà sie sich selbst dabei beobachte, unerträglich zu sein für den Bildhauer. Vorhin habe sie ihn zur Schnecke gemacht, weil sie mit dem Friseur, den er ins Haus bestellt hatte, nicht zufrieden war. â Das ist die Krankheit, sagt die Gnädige Frau, das ist man nicht selbst. Später werde sie den Bildhauer um Verzeihung bitten, kündigt sie an und meint, wenn sie wieder gesund ist. Sie begreife nicht seine Geduld und Fürsorge, die jedes Maà übersteigen. Wie ein Pfleger sei er zu ihr, rund um die Uhr, als habe er nie etwas anderes gelernt. â Das ist Liebe, Gnädige Frau! sagt der Freund. â Sag doch nicht immer Gnädige Frau zu mir. â Wenn er krank wäre, würden Sie sich genauso um ihn kümmern, ist der Freund überzeugt. â Nach einer Woche würde mir eine Ausrede einfallen, kichert die Gnädige Frau.
Im Nachrichtenmagazin, das er sich vor dem Abflug in Stockholm besorgte, um nach der Landung in Hamburg eine Blattkritik aus auÃereuropäischer Perspektive vorzutragen, wie die Reporterin, deren Mutter im Sterben liegt, den Auftrag umriÃ, studiert der Orientalist am Donnerstag, dem 21. September 2006, um 10:48 Uhr die Titelgeschichte über die Sexualität in langjährigen Beziehungen und was realistisch zu erwarten sei. Loben wird er die Redaktion für den Hinweis auf die sogenannte Neue Monogamie, in der sich die Partner begrenzte Freiheiten lassen, kritisieren hingegen auftragsgemäà den Eurozentrismus: Gestern abend erst unterhielt er sich mit den Koreferenten der Konferenz, für die er nach Stockholm geflogen war, über
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