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Freundin von Nummer sechs abgesprochen, heute morgen einmal zwei Stöcke in die Speichen des Romanschreibers zu halten. â Beeil dich, ruft die Ãltere.
Es ist gewià übertrieben, daà GroÃvater die verbliebenen dreiÃig Jahre nach dem Putsch mit Rumi, dem Koran und Depressionen in seinem Zimmer verbrachte. Dennoch erzählt er nur noch eine letzte Episode aus der Zeit Mossadeghs, dann nichts mehr bis zur Reise von 1963 zu den Franken, die in unserer Familiengeschichte ebenfalls Legende wurde, wenngleich als komische Erzählung. Allein schon die Ereignisse, die ich auf Anhieb rekonstruiere, dürften viele seiner Tage mit Spannung, nicht selten mit Glück erfüllt haben. Mindestens so aufreibend wie die Affäre um den käuflichen Bankdirektor Herrn Mansuri, die GroÃvater über mehr als drei Seiten ausbreitet, muà etwa die Auswahl der Bräutigame für drei kapriziöse Töchter gewesen sein. Wie meine Mutter nicht ohne Prahlerei vermerkt, jagten ihn die Interessenten mit ihren Anrufen, Nachstellungen und offiziellen Gesprächsgesuchen regelmäÃig die Wand hoch. Richtig, die Familie ist so gut wie nie Gegenstand seiner Selberlebensbeschreibung, wie könnten es dann Aufregungen jener Art sein, die ich für zwingend halte: Blicke, die seine Töchter auf der StraÃe jungen Männern zuwerfen, Briefe, die er in ihren Schubladen findet, nächtliches Geflüster am Hauseingang. Er konnte seinen Töchtern nicht mehr vorschreiben, wen sie zu heiraten hatten, wie es eine Generation zuvor noch üblich gewesen war. Genausowenig konnte er die Entscheidung bereits ihnen überlassen. Die Schwierigkeit bestand darin, die romantischen Ansprüche an den künftigen Gatten, die die jungen Mädchen neuerdings stellten, mit den rationalen Bedingungen der Eltern in Einklang zu bringen: anständige Familie, Universitätsabschluà oder zumindest die Aussicht darauf, wenn möglich mit Doktortitel, am liebsten in Medizin, vorzugsweise im Ausland, ausreichendes, langfristig gesichertes Einkommen, charakterliche Zuverlässigkeit, gute Manieren, Respekt gegenüber Ãlteren. In GroÃvaters Idealfall würde der Bräutigam auÃerdem das Ritualgebet verrichten, was allerdings unter den jungen Leuten der besseren Familien selten geworden war, an den freitäglichen Moscheegang gar nicht zu denken. Natürlich redete auch GroÃmutter entschieden mit hinein, die auf die Frömmigkeit des Bräutigams weniger Wert legte, dafür den Kriterien der äuÃerlichen Attraktivität, des Charmes oder des Alters beinah soviel Bedeutung beimaà wie die Töchter. Bildeten Mutter und Tochter eine Allianz oder legte auch nur eine von ihnen ihr Veto ein, hätte ein Machtwort GroÃvaters nichts ausgerichtet; dann bedurfte es der Diplomatie und der Bereitschaft zum KompromiÃ, um sich auf einen Bewerber zu einigen. Nicht enden wollende Reihe der Vorstellungsgespräche: Die beiden jungen Leute sitzen verschüchtert an den gegenüberliegenden Seiten des Salons, während die beiden Elternpaare sich um eine Unterhaltung bemühen, die bei allen Höflichkeitsfloskeln, Wetterprognosen und Versicherungen der gegenseitigen Wertschätzung den einzigen Zweck hat, den jeweils anderen auf den Zahn zu fühlen. Sobald die Besucher aus dem Haus sind, soll die Tochter ihre Meinung zu dem potentiellen Gatten äuÃern, obwohl der kaum ein Wort herausgebracht hat. Der Enkel begreift nicht, daà seine Mutter, die diesen Horror selbst erlebt hatte, ernsthaft glaubte, sie könne die Ehe ihrer Söhne ebenfalls arrangieren. Noch unbegreiflicher ist freilich, daà es ihr tatsächlich einmal gelang. Und ausgerechnet er war es, der jüngste und schroffste Sohn, der den Orthopäden überredete, den Skiurlaub um einen Tag zu verschieben, um sich die Kandidatin anzuschauen, da jemand Vertrauenswürdiges, will sagen: jemand aus ihrer Generation, jemand, der Rockmusik hörte, sie als das Gegenteil eines iranischen Mäuschens beschrieben hatte. Das war die künftige Schwägerin denn auch, das Gegenteil: Aus Unwilligkeit setzte sie sich ungeschminkt, kratzbürstig und im verwaschenen Jogginganzug ins Wohnzimmer und sagte bis zum Ende des Besuchs kein Wort auÃer guten Tag und auf Wiedersehen. Dem Orthopäden gefiel sie dennoch oder deshalb so gut, daà er sie vom Skiurlaub aus anrief. Die Eltern muÃten zwar einen gemeinsamen
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