Dein Name
Zivilisation und die Vornehmheit seiner Bewohner zu rühmen. So penetrant habe er Deutschland gelobt und dabei so offenkundig übertrieben, wie es wahrscheinlich nicht einmal den patriotischsten Deutschen eingefallen wäre. Wenn GroÃvater die Verbundenheit den zwanzig Jahren zuschreibt, die mein Vater bereits in Deutschland verlebt habe, bringt er allerdings gehörig die Zeiten durcheinander: Ein paar Seiten vorher, als die Wohnung zu klein war, hatte mein Vater gerade mit dem Studium begonnen, jetzt lebt er schon seit zwanzig Jahren in Deutschland. GroÃvater gesteht ihm zu, daà die deutschen Städte, weil sie nach dem Krieg gröÃtenteils neu geplant und wiederaufgebaut worden seien, tatsächlich sehr sauber, modern und hübsch aussähen, aber in Frankreich angekommen und erst recht, als sie das magisch anmutende, einzigartige Schloà von Versailles besichtigten, hätten sich die Hymnen meines Vaters sehr zügig relativiert. GroÃvater gehe bei weitem nicht so weit wie GroÃmutter und behaupte, daà Deutschland gar nichts sei gegen Frankreich. Solche apodiktischen Urteile stünden ihm fern. Gleichwohl hebt er mit merklicher Genugtuung hervor, daà mein Vater am Ende der Reise selbst eingesehen, ja, mit eigenen Worten zum Ausdruck gebracht habe, daà Frankreich hinsichtlich seiner historischen Bedeutung, der Pracht seiner Städte und der betörenden Harmonie seiner Landschaften sogar sein geliebtes Deutschland übertreffe. Leider deutet GroÃvater den Grenzübertritt nur vornehm an, der über unsere Familie hinaus in Isfahan legendär ist: Nach Ãberquerung der Rheinbrücke sofort davon in Kenntnis gesetzt, sich nun auf französischem Boden zu befinden, schloà GroÃmutter die Augen, atmete tief durch und seufzte dann ohne jede Ironie laut auf: Ach, was ist das nur für eine herrliche Luft hier! Nach der PaÃkontrolle übernahm sie die Reiseleitung, indem sie aus dem Auto stürmte und den erstbesten Franzosen wild gestikulierend Mossio, Mossio , Pâris kodjâst ? fragte, was »Monsieur, Monsieur, wo ist Paris?« bedeutet, nur leider auf persisch. GroÃvater schreibt lediglich: »Als wir über die Grenze fuhren, entschuldigten wir uns bei meinem lieben Schwiegersohn und den guten Enkeln dafür, daà wir in Deutschland etwas zurückhaltend gewesen waren, und erklärten unsere Schweigsamkeit mit der Unkenntnis der deutschen Sprache.« Da GroÃmutter auch von der französischen Sprache nicht viel mehr kannte als Mossio und merci und mein Vater am Ende ihrer wild gestikulierten Wegbeschreibung hilflos wie Maria Kleophas bei der Grablegung in den Himmel blickte, fiel die Reiseleitung auf GroÃvater. Anfangs habe er sich mit dem Französischen, weil er es so viele Jahre nicht geübt, etwas schwer getan, aber es nach ein paar Tagen wieder flieÃend und mit groÃem Vergnügen gesprochen â mit so viel Vergnügen, erfuhr ich vom Vater, daà die Familie oft auf GroÃvater warten muÃte, wenn er wieder einen Pfarrer oder eine junge Marktfrau in ein Gespräch verwickelt hatte. Seine vorübergehende Blindheit, von der mein Vater sprach, erwähnt GroÃvater ebenfalls. Bei der Ankunft in Paris sah er plötzlich nicht einmal mehr die eigenen Hände. Erst meinte er, in einen Sandsturm geraten zu sein, so daà er sich mit dem Taschentuch die Brille putzte und die Augen rieb. Als das nicht half, geriet er in Panik und schrie meinen Vater an, er solle sofort anhalten, nein, umdrehen und ihn sofort zum Flughafen bringen, er müsse so schnell wie möglich nach Teheran. Vorsichtig wandte mein Vater ein, daà Kranke aus aller Welt ins Land der Franken kämen, um sich behandeln zu lassen, und es daher, mit Verlaub, ungewöhnlich sei, wegen einer Erkrankung nach Iran zu fliegen. Das Argument leuchtete GroÃvater ein. So fuhr mein Vater wieder los, um sich zum nächsten Krankenhaus durchzufragen â aber wie, wenn niemand im Auto Französisch sprach auÃer GroÃvater selbst, der also übersetzen muÃte, ohne etwas zu sehen. Die Wüste seines Gesichts muà so elend ausgesehen haben, daà sich gleich der erste junge Mann, den er durchs heruntergekurbelte Fenster blind nach dem Weg fragte, auf die Rückbank zwängte, um GroÃvater zu einem Arzt zu bringen, der Gott sei gepriesen das Sehvermögen nach kurzer Behandlung wiederherstellte. Auch die Diagnose, wie
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