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Frauen denken nur an Sex, ist die Nummer zehn überzeugt, so gebannt starren sie auf den unbeschnittenen Schwengel, der allerdings durch das Podest auch so zentral im Blickfeld liegt, genau über den Augen, daà selbst die homoerotisch bislang kaum auffällig gewordene Nummer zehn sich bereit erklären würde, die Vorhaut zu streicheln und die tennisballgroÃen Hoden zu packen, mit deren Konsistenz er sich seit diesem Jahr besser auskennt als jede Frau, die gewaltigen Schenkel zu umfassen, den prächtigen Hintern zu wiegen, über die glänzende Brust zu streichen, die entzückenden Wärzchen zu küssen. Solcher Pracht des Menschen, nein, des Mannes küÃt im Delirium sogar er die FüÃe. In Wirklichkeit zwang ihn mit dem Nerv rechts neben dem Brustwirbel jemand noch Kleineres als David in die Knie vor Michelangelo, so daà sein Rausch Ratiopharm statt Raffael geschuldet war. Am nächsten Vormittag schleppte er sich durch die fünfundvierzig Säle der Uffizien wie Christus auf dem Kreuzweg. Botticellis Frühling führte ihm nur seinen eigenen Winter vor Augen, und die Venus hat der Maler aus keinem anderen Grund geschaffen, als ihn zu verhöhnen, der gekrümmt davorstand. Vor der Opferung Isaaks , über die zu berichten er nach Florenz gereist, war er wegen der Schmerzen und der Medikamente genausowenig bei der Sache wie das Schaf rechts auf dem Bild, das gleich geschlachtet wird. Die Nummer zehn hat es nur zwei von zwanzig ungeregelten Tagen gekostet. Von der Migräne ist nur das Pochen gegen die innere Schädelwand geblieben, die Lider bis auf einen Schlitz geschlossen, alle AuÃengeräusche dumpf, das Rauschen und Rattern des Schnellzugs. Als werde er für seine Bequemlichkeit bestraft, verschränken sich auf dem Klapptisch des Schnellzugs nach Rom die Buchstabenreihen der Schönsten Gedichte ineinander und laufen auseinander wie auf den Blättern, die in der Frankfurter Ausgabe faksimiliert sind. »Und in der Schönheit weitem Lustgefilde / Verhöhnt das Leben knechtische Begier.«
Auf den ältesten Enkel, der auf den Genfer See hinausgeschwommen war, fuhr ein Motorboot zu. In höchster Not kraulte der Schwiegersohn in die Fahrbahn des Boots und brachte es winkend vom Kurs ab. Aus einem Grund, der dem alten Herrn nicht recht klar wird, lieferte sich der Schwiegersohn anschlieÃend ein Wortgefecht mit dem Bootsführer und kam es am Ufer gar zu einer Handgreiflichkeit. Er müsse sofort zu einem Gericht, ruft der Schwiegersohn erregt, und diesen Bootsführer verklagen, von dem er erniedrigt und beleidigt worden sei wie noch nie von einem Menschen. Der alte Herr möchte ihn bitte als Ãbersetzer begleiten. Gemeinsam fragen sie sich zur Küstenwache durch, die nun kein Gericht ist, aber immerhin einen jungen, freundlichen Beamten aufweist, der in seiner kleinen Hütte aus Holz bereitwillig zuhört, wie der alte Herr die Klage seines Schwiegersohns übersetzt. Offenbar ist der Beamte zu höflich, um den alten Herrn zu unterbrechen, denn es stellt sich heraus, daà er auch Deutsch versteht. Leider könne er jedoch nichts tun, wendet er sich direkt an den Schwiegersohn, da ihm keinerlei Belege oder Beweise vorlägen. Der fassungslose Schwiegersohn erzählt daraufhin den gesamten Vorfall noch einmal auf deutsch. Wieder hört der Beamte geduldig zu, unterbricht nicht, macht sich Notizen und gibt am Ende die gleiche Antwort: Ohne Indizien seien ihm die Hände gebunden. Aber er sei doch geschlagen worden, empört sich der Schwiegersohn so laut, daà der alte Herr ihn am Unterarm berührt. Dann brauche er wenigstens das Attest eines Arztes, bleibt der Beamte seelenruhig. Dann möge der Beamte ihn sofort zu einem staatlich anerkannten Arzt schicken, erwidert der Schwiegersohn, der in der Hektik die europäischen mit den iranischen Verhältnisse verwechselt. â Bei uns gibt es nur staatlich anerkannte Ãrzte, mein Herr, klärt der Beamte ihn auf. Während der alte Herr auf persisch darauf drängt, die Geduld dieses jungen Beamten, der sich doch sehr verständig äuÃere, nicht weiter zu strapazieren, insistiert der Schwiegersohn auf deutsch, den Bootsführer vorzuladen, der vielleicht alles gestehe. â Sehr verehrter Herr, wendet sich der Beamte jetzt wieder auf französisch an den alten Herrn, der Wort für Wort ins Persische übersetzt wie vierzig Jahre zuvor am Persischen
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