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bemerkenswert schien ihm die Floskel. Wie ein Staatsgast sei er im Land der Franken von den Friseuren behandelt worden, schwärmt er und betont noch einmal: von einfachen Friseuren! Dagegen das Marktgeschrei in iranischen Friseursalons, Hassan setz dich hin, Hossein hat sich vorgedrängelt ⦠GroÃvater schreibt, daà er gar nicht erst anfangen möchte, über den Ton zu klagen, der in iranischen Behörden, Geschäften und Werkstätten herrsche, da die Grobschlächtigkeit jedem Iraner, der die Angelegenheiten des täglichen Bedarfs nicht vollständig durch das eigene Personal erledigen lieÃe, allzu vertraut sei, und beklagt dann doch über ungelogen drei Seiten die Verrohung seiner Landsleute, die die edlen Idealen von liberté , egalité , fraternité als Freibrief zum Ringkampf miÃverstanden hätten. Um ehrlich zu bleiben, sind seine weiteren Ausführungen nicht besonders originell, mögen sie auch das übliche Bild zirzensischer Höflichkeitsrituale auf den Kopf stellen, wie ich es selbst hier und dort von Iran gezeichnet, die Partitur der Höflichkeitsgesten, die in Iran bei jeder Taxifahrt zur Aufführung kommt. Die einzelnen Beispiele, die GroÃvater für das Gegenteil anführt, bleiben in den Bahnen, in denen Menschen selbst in goldenen Zeiten über den Verfall klagen, man lese nur die Briefe von Goethe und Schiller. Ohne eine Jahreszahl oder politische Ereignisse zu nennen, liefert GroÃvater immerhin ein weiteres Indiz dafür, wann er die Selberlebensbeschreibung verfaÃte. Daà man in Geschäften, Behörden oder Werkstätten geduzt wird, wie er schimpft, hat sich nämlich meines Wissens erst nach der Revolution eingebürgert. Auch reden iranische Kinder ihre Eltern erst in der Generation nach mir mit Du an, jedenfalls in Isfahan. Wenn europäische Kinder ihre Eltern duzen, klinge es anders als im Persischen nicht respektlos, da sich die Anrede über viele Jahrzehnte entwickelt habe und mit einem grundlegenden Wandel der Gesellschaft einhergehe. Die Iraner hingegen würden von Europa nur die äuÃerlichen Merkmale nachäffen und dabei wie alle Konvertiten meinen, katholischer sein zu müssen als der Papst, wie die Franken zu sagen pflegten. GroÃvaters Eindrücke können nicht repräsentativ sein, nicht einmal für die frühen sechziger Jahre, als die Deutschen vor den Haustüren der Ausländer noch mit Arbeitsverträgen winkten: Als ein älterer, sicherlich extrem höflicher orientalischer Herr mit Mantel und Hut, der Französisch mit dem gleichen Akzent sprach, mit dem Mohammad Mossadegh schon vor den Vereinten Nationen entzückt hatte, wird er in der Regel zuvorkommend behandelt worden sein. Wie ich gerade feststelle, Sonntag, der 14. Dezember 2008, 21:58 Uhr, wäre der Buchbinder, der das hellblaue Heft hergestellt hat, ein weiteres Beispiel für die Schlamperei und Unzuverlässigkeit, die GroÃvater peinigte. Die Reihenfolge der folgenden Seiten ist so chaotisch, daà er offenbar selbst die Ãbersicht verloren hat, sofern die handschriftlichen Zusätze von ihm stammen. Ich merke es daran, daà er die Seitenzahlen mehrfach durchgestrichen und ersetzt hat. Der Exkurs über die Wunder, mit denen Gott seine Propheten versah, steht gar nicht im Zusammenhang mit der Schönheit des Genfer Sees, sondern ist als Einzelblatt aus der Zeit am Persischen Golf nach hinten gerutscht. Bis Seite 145 blicke ich noch durch, aber wie es weitergeht, bleibt ein Rätsel. Die Seiten 139 und 140, die nicht nur zu weit hinten, sondern auch falsch herum eingeordnet sind, habe ich übersehen, bemerke ich gerade. Soweit ich nach der ersten kursorischen Lektüre erkenne, verlängern sie nur GroÃvaters Loblieb auf die Deutschen. Er schreibt, daà er speziell in den ersten Wochen seines Aufenthaltes häufig gröÃere Scheine in kleinere Scheine und Münzen umtauschen muÃte. Wie er es aus Iran gewohnt war, zählte er dann jedesmal das Wechselgeld, wofür sich meine Mutter oder meine Brüder geradezu ostentativ schämten. Wenn sie ihn nicht tadelten, wandten sie sich von GroÃvater ab und entfernten sich, als hätten sie nichts mit ihm zu tun, so daà er sich vorkam, als habe er etwas Unanständiges oder gar Verbotenes getan. Dabei vergewisserte er sich doch nur, ob der Betrag korrekt war. Daà meine Eltern nie das Wechselgeld überprüften, wie
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