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Männer mehr als eine Stunde gegenüber, ohne ein Wort zu wechseln. Oberst Farasat kramt in seinen Unterlagen, macht sich zerstreut Notizen, ordnet die Schublade und scheint mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein, als eine Beschäftigung zu haben; es fehlt nur, daà er zu malen anfängt wie ein Kind, das sich in der Schule langweilt. Vermutlich kann er sich nicht entscheiden, was er mit dem alten Gutsherrn anstellen soll. Ihn auf die StraÃe begleiten, gut â und dann? Verabschiedet er ihn vor dem Polizeigebäude, nachdem er ihn eigens zurückrief, wird der alte Gutsherr erst recht meinen, an der Nase herumgeführt worden zu sein. Lädt er ihn zu einem Tee ein, zieht Oberst Farasat den Verdacht der Begünstigung auf sich. Der alte Gutsherr seinerseits gibt sich nicht die BlöÃe zu fragen, wann sie aufbrechen. »Also gut«, seufzt der Oberst schlieÃlich und erhebt sich: »Gehen wir.« Der alte Gutsherr ist weiterhin zu beleidigt, um das Wort an Oberst Farasat zu richten, und fragt daher nicht, wohin sie jetzt eigentlich gehen. Auf der StraÃe ruft der Oberst ein Taxi heran und hält die Tür auf, bevor er selbst einsteigt und nach der Adresse des alten Gutsherrn fragt. Der alte Gutsherr, der die höfliche Geste registriert, kann sich dennoch nicht überwinden, das Gespräch zu führen, das der Oberst auf der Rückbank des Taxis in Gang zu bringen versucht. So sitzen sie nach einer Weile wieder still nebeneinander. Als sie das Haus hinterm Teheraner Tor erreichen, zieht der alte Gutsherr fünf Rial aus der Tasche und bittet mit ruhiger, entschiedener Stimme um die Gunst, die Fahrt zahlen zu dürfen. »Sie sind wirklich ein Isfahani, wie er im Buche steht«, sagt Oberst Farasat und lächelt zum ersten Mal. Der alte Gutsherr steigt aus dem Wagen, ohne den Oberst in seine Hundehütte zu bitten, wie es die Etikette verlangen würde. Aber verabschiedet hat er sich diesmal und wird in seiner Selberlebensbeschreibung Oberst Farasat als einen der wenigen unbestechlichen, für die Gerechtigkeit kämpfenden Gendarmerieoffiziere loben, die in Isfahan dienten.
Die Mutter berichtet auf der LandstraÃe nach Köln, als die Familie vom siebzigsten Geburtstag des Schwiegervaters zurückkehrt, daà GroÃvater einmal, Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre, weinend aus Tschamtaghi zurückgekehrt sei, wirklich weinend, nein, nicht wie der Musiker in München. Alle seine ehemaligen Felder, überhaupt die meisten Ländereien von Kartschegan und Berendschegan, waren verdorrt. Die Bauern, denen der Boden jetzt gehörte, hatten sich die Samen nicht mehr leisten können. Es rentierte sich nicht, weil der amerikanische Reis billiger war; noch dazu hatte kaum einer von ihnen die Kredite zurückzahlen können, und die Zinseszinsen lasteten schwer. Statt den GroÃgrundbesitzern oder ihren Vögten saÃen ihnen nun die Banken, Wucherer, Versicherungen und Agrarkonzerne im Nacken. Der Vater, der auf dem Beifahrersitz auf die Gelegenheit gewartet hat, die Gesprächsführung zu übernehmen, wirft ein, daà die WeiÃe Revolution keinen anderen Zweck gehabt habe, als Iran von amerikanischen Importen abhängig zu machen, deshalb der Druck der Kennedy-Administration, den auch die Fachliteratur hervorhebt. Die Mutter, die nicht sicher ist, ob der Vater den Schah und John F. Kennedy nicht zu einseitig beurteilt, hat als Kind oft gesehen, wie die Obstkisten von Tschamtaghi, der Reis von Berendschegan und das Getreide von Kartschegan für den Export verpackt wurden. â Natürlich wurden sie exportiert! ruft der Vater plötzlich erregt, obwohl es schon weit nach Mitternacht ist und seine Stimme nicht mehr hergibt als ein Krächzen, seit er zwei Wochen lang künstlich beatmet wurde: Iran war damals die Kornkammer des Orients! Selbst aus dem Ausland seien Experten angereist, um das alte Bewässerungssystem zu studieren. Selbst die alten Griechen hätten das iranische Bewässerungssystem bewundert. Nur wegen des Bewässerungssystems habe das Land unter Doktor Mossadegh dem Embargo trotzen können. Der Norden und Nordosten sei ohnehin fruchtbar; das persische Kernland hingegen, im groben das gewaltige Gebiet zwischen dem Elbors im Norden, dem Golf im Süden und dem Arius im Westen, verdanke seine siebentausendjährige Zivilisation der Kunst, das Schmelzwasser in die entlegenen Ebenen zu leiten, mit dem
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