Dein Name
vorbereitete, das Zehntausenden amerikanischer Militärberater mitsamt ihren Familien Immunität gewährte. »Von jetzt an können sie uns nicht mehr reaktionär nennen«, freute sich Ajatollah Chomeini, als ihm der Gesetzesentwurf zugespielt wurde: »Von jetzt an kämpfen wir gegen Amerika. Alle Freiheitsbewegungen der Welt werden uns unterstützen. Wir müssen dieses Gesetz als Waffe verwenden, um die Regierung anzugreifen, so daà die gesamte Nation merkt, daà dieser Schah nichts anderes ist als ein amerikanischer Agent.« Die Predigt, die Chomeini wenig später hielt â ohne Manuskript, versteht sich, denn wer in Ghom ausgebildet ist, braucht keine Gedächtnisstütze â, gehört zu den Glanzstücken politischer Rhetorik im zwanzigsten Jahrhundert. Seine Ansprachen, die ich als Kind im Auto des Vaters und als Erwachsener bei den Verwandten hörte, richteten sich an ein Publikum, das ihn bereits verehrte. Hingegen am Morgen des 27. Oktober 1964, dem Geburtstag der Prophetentochter Fatima, sprach er auch zu Menschen, die es nicht für möglich hielten, jemals einen Ajatollah zu verehren. Und das Verblüffende ist: Es gelang ihm nicht, indem er wie in den Monaten zuvor seine Rhetorik säkularisierte, sondern den Widerstand wieder islamisierte. Bereits mit dem ersten Satz spielte er auf der Klaviatur jener kollektiven Affekte, die bei fast allen Iranern, ob religiös oder nicht, auf Zuruf, auf ein bloÃes Signal hin, allein durch die Nennung der Namen in der entsprechenden Tonlage zum Ausbruch gebracht werden können: der Trauer um den Mord an Hossein, der Zorn auf Yazid, die Reue, den dritten Imam bei der Schlacht von Kerbela im Stich gelassen zu haben, und die Entschlossenheit, diese historische Urschuld wiedergutzumachen, dem Weg des Imams zu folgen, und sei es bis zur eigenen Aufopferung, gegen einen neuen Kalifen, in einem neuen Kerbela.
Viele Zuhörer wissen noch gar nichts von dem Gesetz, weil die Zeitungen nicht darüber berichten dürfen, und sind überrascht, als Ajatollah Chomeini seine Ansprache mit dem Koranvers beginnt, der nur an Trauertagen gesprochen wird, nicht an Fatimas Geburtstag: »Wir sind Gottes, und zu Ihm kehren wir zurück.« Ein Raunen geht durch die Menge, die sich im Hof seines Hauses und in der frisch asphaltierten Gasse drängt. Der Name Hossein muà gar nicht fallen, um die Zuhörer in eine Zeitmaschine zu setzen und den aktuellen politischen in einen mythischen und religiösen Konflikt zu verwandeln. »Ich kann den Kummer nicht ausdrücken, den ich im Herzen habe. Mein Herz ist beengt. Seit dem Tag, als ich von den jüngsten Entwicklungen hörte, habe ich so gut wie nicht geschlafen. Ich bin zutiefst beunruhigt, mein Herz ist beengt.« Die kurzen, wie abgehackten Sätze, die in einer persischen Rede eigentlich ungeschickt wirken, bestätigen rhythmisch die Aussage, mit beengtem Herzen, also fast ohne Atem zu sprechen. In der Unbeholfenheit des Redners drückt sich die Not der Umstände aus. »Mit bekümmertem Herzen zähle ich die Tage, bis der Tod mich erlöst. Iran hat keine Feste mehr zum Feiern. Sie haben unsere Feste in Trauer verwandelt. Sie haben uns verkauft, sie haben unsere Unabhängigkeit verkauft. Und dennoch haben sie die Stadt erleuchtet und tanzen sie. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich all diese Lichter verbieten. Ich würde befehlen, daà im Basar und auf allen Häusern schwarze Flaggen gehiÃt, daà überall schwarze Planen aufgehängt werden. Unsere Würde ist mit FüÃen getreten, die Würde Irans ist zerstört worden! Die Würde der iranischen Armee ist mit FüÃen getreten worden!« Die Zuhörer müssen nur das Wort Iran gegen das Wort Islam austauschen: Der Imam ist ermordet worden, in Damaskus herrscht ein Ketzer als Kalif, die alten Eliten Mekkas, gegen die der Prophet gekämpft hatte, stellen ihren Triumph mit ausgelassenen Festen zur Schau. Aber was ist geschehen? Welches Unglück? Gemäà dem rhetorischen Mittel der unheilvollen Andeutungen und immer wieder hinausgezögerten Auflösung, auf das der Roman, den ich schreibe, bereits im Zusammenhang mit Hölderlin und dem Koran hinwies, erklärt es Chomeini erst, als die Spannung bereits zum ZerreiÃen ist: »Im Parlament wurde ein Gesetz eingebracht, mit dem wir der Konvention von Wien beitreten, und eine Bestimmung wurde
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