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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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hinzugefügt, nach der sämtliche amerikanische Militärberater zusammen mit ihren Familien, ihren Technikern, ihren Angestellten und Bediensteten, kurz: alle, die in irgendeiner Weise mit ihnen in Verbindung stehen, Immunität genießen für jedes Verbrechen, jede Ordnungswidrigkeit und jede Straftat, die sie in Iran möglicherweise begehen. Wenn ein amerikanischer Diener oder sagen wir ein amerikanischer Koch mitten im Basar eure ›Quelle der Nachahmung‹ ermordet oder sie zu Tode trampelt oder sie überfährt, hat die iranische Polizei kein Recht, den Diener oder den Koch festzunehmen. Die Akte muß zu unseren Herren nach Amerika geschickt werden, die allein entscheiden dürfen, was mit dem amerikanischen Diener oder Koch geschieht.« Chomeini informiert dann mit betonter Sachlichkeit, wie die Regierung das Gesetz ohne Vorankündigung ins Parlament einbrachte und ohne Beratung verabschieden ließ, stellt die Umstände also in vermeintlicher Objektivität und großer Ruhe dar, damit die Schußfolgerung um so schockierender wirkt, zumal seine Stimme von einem auf den anderen Satz schrill wird wie eine Alarmglocke: »Das iranische Volk ist damit weniger wert als ein amerikanischer Hund! Wenn ein Iraner einen Hund tritt, der einem Amerikaner gehört, wird er angeklagt. Selbst wenn der Schah einen Hund tritt, der einem Amerikaner gehört, wird er angeklagt. Aber wenn ein amerikanischer Diener oder ein amerikanischer Koch den Schah tritt, das Oberhaupt unserer Nation, hat niemand das Recht, dagegen einzuschreiten. Warum? Weil die Regierung einen Kredit haben will und Amerika im Gegenzug dieses Gesetz verlangt hat. Die Regierung hat unsere Unabhängigkeit verkauft, sie hat unser Land zu einer Kolonie degradiert. In den Augen der Welt sieht unsere muslimische Nation heute rückständiger aus als ein Stamm von Wilden. Und was unternehmen wir angesichts dieses Desasters? Was unternehmen unsere religiösen Gelehrten?« Alle Zuhörer wissen, daß der Imam Hossein starb, weil die religiösen Gelehrten vor dreizehnhundert Jahren nichts unternahmen. Chomeini hingegen senkt überraschend die Stimme und spricht scheinbar verständnisvoll über seine Kollegen in Ghom, die allen Grund hätten, sich vor den Gewehren des Schahs zu fürchten, bevor er eine Litanei einschiebt, die die Ohnmacht der religiösen Führer beklagt – um sich damit implizit, aber um so wirkungsvoller selbst als einen Hossein unter all den Duckmäusern in Szene zu setzen: »Wenn die religiösen Führer Einfluß hätten, würden sie nicht zulassen, daß diese Nation an dem einen Tag Sklave der Briten, an dem anderen Tag Sklave der Amerikaner wird. Wenn die religiösen Führer Einfluß hätten, würden sie nicht zulassen, daß Israel die iranische Wirtschaft übernimmt. Sie würden nicht zulassen, daß israelische Waren in Iran verkauft werden – und zwar zollfrei verkauft werden! Wenn die religiösen Führer Einfluß hätten, würden sie nicht zulassen, daß der öffentliche Haushalt mißbraucht und geplündert wird.« Wenn die religiösen Führer Einfluß hätten, würden sie nicht zulassen, daß … – Chomeini hämmert diese Formel seinen Zuhörern in acht, neun, zehn verschiedenen Varianten ein, bis auch der letzte begreift, wo das eigentliche Unglück liegt: nicht in den Untaten der Gegner, ist doch von ihnen nichts anderes zu erwarten, vielmehr in der Tatenlosigkeit der muslimischen Gelehrten; nicht im Frevel Yazids, denn Frevler gibt es immer, vielmehr in der Teilnahmslosigkeit der Gläubigen, die sich nicht gegen die Frevler erheben. Wohlgemerkt erhebt Chomeini diesen schwerwiegendsten aller Vorwürfe, ohne die Theologenkollegen offen zu attackieren. Im Gegenteil, formal ist er von ausgesuchter Höflichkeit: »Ich ehre alle religiösen Führer. Einmal mehr küsse ich die Hand aller religiösen Führer. Wenn ich in der Vergangenheit stets die Hände der religiösen Autoritäten geküßt habe, küsse ich heute auch die Hände der Seminaristen. Ich küsse die Hand jedes einfachen Ladenbesitzers.« Noch ist es nicht zu spät, noch können die Muslime die Vernichtung des Islam verhindern, indem sie aufs Schlachtfeld strömen: »Verehrte Herren, ich warne euch vor der Gefahr! Iranische Armee, ich warne dich vor der Gefahr! Iranische Politiker, ich warne

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