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Bärenforscher so, daà es wie eine Sehnsucht klingt. Nur Herzog konnte in ihm den heiligen Narren der religiösen Traditionen entdecken und auf beidem gleichzeitig beharren, dem Heiligen und dem Närrischen, dem Wahren, das zugleich das Falscheste ist, und umgekehrt (die Freundin, die wegen ihm sterben muÃte, nicht für den Bären). Er zeigt den Bärenforscher als jemanden, der eine Grenze übertreten und sie damit markiert hat. Darin ist es auch ein Film über ihn, über Werner Herzog selbst: Zutiefst lehnt er die AnmaÃung ab, die er zutiefst versteht. Ich glaube, er ist auch deshalb bei sich, weil durch die Videos des Bärenforschers das Dilettantische und Unfertige, das seine Filme bei allem GröÃenwahn und Perfektionismus immer hatten, nicht mehr kaschiert wird. Meisterhaft im professionellen Sinn ist nicht das Material, wie könnte es auch anders als amateurhaft sein, Videos von einem selbst mit der Handkamera, sondern die minimalen Eingriffe zu seiner Fügung, der Gerichtsmediziner zum Beispiel, der in voller Montur am leeren Seziertisch spricht und deshalb wie Nosferatu wirkt, oder das Lied, das der Pilot offenbar über Kopfhörer hört und mitsingt, während er die Angehörigen zum See fliegt, an dem der Bärenforscher die Sommer verbrachte. Herzog spielt das Lied ein, während der Pilot es murmelt, ohne daà es ganz synchron wird, ein kleiner Kunstgriff, der die Realität innerhalb des Cockpits verrückt und die Stimmung des Films so verwandelt, daà es einem als das Natürlichste der Welt erscheint, wenn die Angehörigen kurz danach die Asche des Forschers dort verstreuen, wo ihn der Bär getötet hat. Anders als dem Bärenforscher ist ihm als Künstler das baghâ fi l-fanâ beschieden, das »Bleiben im Entwerden«, wie die Sufis den noch schwerer zu erreichenden, den höchsten Zustand nach der Ekstase nennen.
Zehn Monate später, am 7. April 1964, kehrte Ajatollah Chomeini nach Ghom zurück, ohne eine einzige Bedingung akzeptiert zu haben, die ihm nacheinander Verhörbeamte, Staatssekretäre, Armeegeneräle und sogar Minister für die Freilassung gestellt hatten: um Entschuldigung zu bitten oder sich aus der Politik zurückzuziehen, oder jedenfalls den Ton zu mäÃigen, oder wenigstens die direkten Attacken auf den Schah zu unterlassen, oder wenn schon Kritik, dann bitte ohne den Schah persönlich zu beleidigen. Vor Chomeinis Haus stand die halbe Stadt Schlange, um den Unbeugsamen zu besuchen oder hinter ihm zu beten. Auch säkulare Oppositionspolitiker reihten sich ein, Gläubige aus dem ganzen Land, namhafte Wissenschaftler, Journalisten, die nie einen Religionsgelehrten ernst genommen hatten, und die Riege der GroÃajatollahs, denen sein politischer Aktivismus suspekt blieb. Um ihn nicht mehr zu provozieren, beschloà die Regierung, Ajatollah Chomeini von nun an besonders respektvoll zu behandeln. Nur einen Tag nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis reiste der Innenminister nach Ghom, um die GrüÃe des gesamten Kabinetts zu übermitteln. Als er mit seiner Wagenkolonne in die armselige Gasse einbog, in der Ajatollah Chomeini wohnte, gab er Anweisung, sie umgehend zu asphaltieren und mit StraÃenlaternen auszustatten. Es nützte nichts. Das einzige, was der Ajatollah änderte, waren die Inhalte seiner Kritik, die Schärfe blieb sich gleich. Er hatte erkannt, daà sein Widerstand gegen das Frauenwahlrecht und die Landreform, seine religiöse Rhetorik, in der von Ketzerei statt von Diktatur die Rede war, vom Willen Gottes statt von Menschenrechten, zu viele Gruppen abschreckte, die ebenfalls gegen den Schah agitierten. Deshalb sprach Chomeini nach seiner Freilassung vor allem über die politische und ökonomische Abhängigkeit Irans, über Arbeitslosigkeit, Korruption, Gesundheitsversorgung und Bildung. Daà sich die GroÃajatollahs immer vernehmlicher räusperten, nahm er in Kauf. In den Moscheen und im Basar war seine Anhängerschaft groà genug geworden, um nicht mehr auf ihr Wohlwollen angewiesen zu sein. Nun galt es, ein nationaler Führer zu werden, den Platz einzunehmen, der seit dem Sturz Mohammad Mossadeghs verwaist war. Die Gelegenheit, die Zustimmung auch des Bürgertums, der Arbeiter und der Intellektuellen zu gewinnen, bot sich im Herbst 1964, als die Regierung dem Drängen Washingtons nachgab und das sogenannte Kapitulationsgesetz
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