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GroÃvaters, die aus dem Haus rannten, holten den Mitarbeiter des anderen Ajatollahs nicht mehr ein. Die Versammlung löste sich auf; nur zwei oder drei der Besucher verabschiedeten sich von Pir Arbab, die übrigen warfen ihm nur einen verächtlichen Blick zu oder nicht einmal das. Bekümmert, erschrocken, erstaunt blieb der Pir zurück. Auch GroÃvater muà sich vom Teppich erhoben haben; wenn er als einziger sitzen geblieben wäre, hätte er es gewià erwähnt. Sosehr er den Pir verehrte, so viel er ihm verdankte, konnte er sich nicht überwinden, zu den mystischen Sitzungen zurückzukehren, seinen ebenso gütigen wie lebensklugen Weisungen zu lauschen, mit ihm zu meditieren, hinter ihm zu beten. Vergeblich wollte GroÃvater sich einreden, daà sein Verstand und sein Wissen nicht ausreichten, um zu begreifen, warum Pir Arbab sich geweigert hatte, gegen die Verbannung Ajatollah Chomeinis zu protestieren. Sein eigener Führer, so schien es ihm, war einer von jenen reaktionären, weltabgewandten Gelehrten, die Chomeini zu Recht kritisierte. Einige Zeit später machte ein befreundeter Derwisch GroÃvater schwere Vorwürfe, sich vom Pir und überhaupt von den Moscheen abgewandt zu haben. Damals wies GroÃvater das Ansinnen des Derwischs zurück, wieder zum Gemeinschaftsgebet zu gehen, »mit absoluter Ãberzeugung«, wie GroÃvater schreibt, und in so scharfem Ton, daà er zu seiner eigenen Schande die Grenze zur Unhöflichkeit überschritten habe. Zu der Zeit, als er sein Leben beschrieb, über achtzig Jahre ist er inzwischen, besucht er längst wieder regelmäÃig die Moschee, was seine jüngste Tochter lieber nicht erwähnt sähe. Er ist schon lange nicht mehr sicher, ob seine damalige, »absolute Ãberzeugung« richtig war, und würde viel dafür gegeben, sich bei dem Derwisch und erst recht bei seinem Pir zu entschuldigen, dem Ajatollah Hadsch Agha Rahim Arbab. Sie sind tot, viele Jahre schon, mögen ihre Seelen froh sein. Es ist noch vor der Revolution, für die er im Rollstuhl demonstrieren wird. Es wird noch viele Anlässe geben, dem Derwisch und erst recht dem Pir Abbitte zu leisten.
Eine einzige Episode habe ich in der Bibliothek der Kölner Orientalistik gefunden, in der Ajatollah Chomeini einen anderen, ungewohnten Eindruck macht. Um ihn von der Ãffentlichkeit abzuschirmen, verständigten sich die türkischen und iranischen Sicherheitsdienste, Chomeini in der Familie eines jungen Geheimdienstoffiziers in Bursa unterzubringen. Dessen Frau erfuhr zuvor nur, daà ein groÃer iranischer Führer, der in der Türkei im Exil lebe, eine Zeitlang bei ihnen wohnen würde. Sie stellte sich unter einem Oppositionellen jemanden vor, der besonders fortschrittlich war, und wollte ihn so ehrenvoll wie möglich empfangen. Sie lieà das Haus putzen, richtete ein Gästezimmer ein, kaufte eigens neue Bettwäsche, bereitete ein aufwendiges Gericht zu, ging zum Friseur und zog ihr bestes Kleid an. Um so überraschter war sie, als ein groÃgewachsener älterer Mann mit grauem Bart, tiefliegenden dunklen Augen, einem knöchellangen Gewand, das sie zuerst für ein Nachthemd hielt, und einem schwarzen Turban in ihr Haus trat. Chomeini wirkte bedrückt, schaute sich nicht um und redete nicht mit den türkischen und iranischen Beamten, die ihn begleiteten. Dann aber fiel sein Blick auf die Hausherrin. Er sah sie schockiert an, zog wütend die buschigen Augenbrauen in die Höhe und fing an zu brüllen. »Was hat er?« fragte die Frau des jungen Geheimdienstoffiziers. »Er sagt, daà er keine Frau im Haus duldet«, übersetzte der iranische Beamte: »Er verlangt, daà die unverschleierte Frau auf der Stelle das Haus verläÃt.« »Ich bin keine Angestellte!« empörte sich die Frau des jungen Geheimdienstoffiziers: »Sagen Sie ihm, daà er die Hausherrin vor sich hat. Und sagen Sie ihm, daà ich keineswegs vorhabe, mich aus den eigenen vier Wänden vertreiben zu lassen.« Es waren nicht nur Lebensentwürfe, es waren Kulturen, ja Epochen, die aufeinanderprallten, hier die junge, bürgerliche, laizistische Familie in der Türkei, dort der strenge, von seiner Mission durchdrungene schiitische Würdenträger aus Ghom. Sei es, um ihrem Gatten einen Eklat zu ersparen, sei es aus Respekt vor dem Alter, dem religiösen Amt und dem Ruf des Gastes als
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