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hat eine andere Vorstellung, wie Pir Arbab auf die Verbannung Ajatollah Chomeinis zu reagieren habe, die eine Beleidigung der gesamten iranischen Nation sei. Der eine schlägt vor, daà der Pir in den Basar geht, seinen Turban auf den Boden schleudert und öffentlich erklärt, so lange barhäuptig zu bleiben, bis Chomeini seinen Fuà wieder auf iranischen Boden setzt. Der andere fleht den Pir um die Erlaubnis an, als Märtyrer zu sterben, und zetert, als der Pir sich gegen Gewalt ausspricht. Ein dritter fordert den Pir auf, selbst als Märtyrer zu sterben, und fragt polemisch, warum sich denn wohl alle zwölf Imame der Schia für den Islam und die Muslime geopfert hätten, wenn der Tod als Märtyrer so verwerflich sei. Ein vierter macht sich schon lustig, daà die Anleitung, die den religiösen Führern aufgetragen, sich wohl nur auf den Gang zur Toilette beschränke. So laut er kann, schreit ein fünfter den Pir an, daà er und die anderen Gelehrten eine Schande für den Islam seien. Ein sechster fragt, was aus dem Islam geworden wäre, wenn die Imame sich genauso ängstlich verhalten hätten wie der Pir. Ein siebter klärt den Pir darüber auf, daà die Regierung sich nur freuen könne über so fügsame Geistliche, die genau dem Bild entsprächen, das Ajatollah Chomeini in seiner historischen Rede gezeichnet. Ein achter wirft dem Pir vor, persönlich für diesen schwarzen Tag verantwortlich zu sein, den die Muslime gerade erlebten. Was glaubst du denn, wechselt ein neunter brüllend zum Du, was glaubst du denn, du Greis, wieviel Jahre du noch zu leben hast, daà dir deine Unversehrtheit teurer ist als das Schicksal des Islam. Hast du denn überhaupt keinen Mumm mehr in den Knochen? Wieso erhebst du dich nicht endlich? Der Pensionär wird fünfzehn Jahre später noch weitere Stimmen aufführen, nicht alle dreiÃig oder vierzig, aber alle in diesem Ton. Es sind aufgeklärte Leute, Intellektuelle, die Pir Arbab vorwerfen, den Islam zu verraten. Die einzigen, die ihn als ihren mystischen Führer betrachten, sind der Pensionär und ein Herr Ketabi, der mit dem Mann meiner Tante verwandt ist oder nicht. Der Pensionär wird fünfzehn Jahre später nicht darauf eingehen, wie er sich selbst verhält, ob er den Pir verteidigt oder in höflicheren Worten ihn ebenfalls kritisiert. Unterstützung sucht der Pir jedenfalls nicht bei ihm: »Meine Herren«, ruft Pir Arbab verzweifelt, »vielleicht möchte Herr Ketabi etwas sagen, der meine Beweggründe sicher versteht und dem alten Prinzip zustimmen wird, daà die Geistlichkeit sich von der Politik fernhält.« »Keineswegs«, antwortet Herr Ketabi scharf, »stimme ich dem Prinzip zu: Im Gegenteil, ich halte es für unzulässig, in der jetzigen Situation zu schweigen.« Ausgerechnet in diesem Moment, da die Bekannten Herrn Ketabi hochleben lassen, der sich gegen seinen eigenen Pir gestellt hat, betritt ein Mullah den Raum. Es ist der Mitarbeiter eines anderen Isfahaner Ajatollahs, der mit Pir Arbab besprechen soll, wie lang die Gemeinschaftsgebete noch ausgesetzt werden. »Ich werde heute abend wieder in meine Moschee gehen«, sagt Pir Arbab dem Mullah leise. »Der Kerl wird heute abend wieder in seine Moschee gehen«, ruft einer der Bekannten, der nahe genug sitzt, um die Antwort des Pirs zu verstehen. Sofort erhebt sich wieder wütender Protest. »Ja, ich werde wieder in die Moschee gehen«, erklärt Pir Arbab, diesmal mit kräftiger Stimme: »Ich erachte es nicht als sinnvoll, die Moscheen leerstehen zu lassen. Vielleicht ist es genau das, was die Regierung erreichen will: daà die Moscheen für immer geschlossen bleiben und die Menschen sich nicht mehr zum Gemeinschaftsgebet versammeln. Meine Herren, auch wenn es Ihnen nicht paÃt, ist es meine Pflicht, in die Moschee zu gehen und das Gebet abzuhalten.«
Die Flüche und Verwünschungen, die Pir Arbab für seine Ankündigung erntete, das Gemeinschaftsgebet wiederaufzunehmen, klingen GroÃvater fünfzehn Jahre später noch im Ohr. Er schäme sich, sie zu zitieren, schreibt er, so häÃlich und unverschämt seien sie gewesen. Es genüge, wenn er die Reaktion des Pirs schildere: Eine solche Panik ergriff den heiligen Mann, der sonst die Ruhe selbst war, daà er seine Ankündigung widerrufen wollte. Aber es war zu spät, die zwei Bekannten
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