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»hoher Führer«, verlieà die Frau des jungen Geheimdienstoffiziers nach ihrer Volte den Raum und kehrte mit einem Tuch auf dem Kopf wieder. Chomeini schien das Entgegenkommen zu würdigen und warf ihr einen wohlwollenden Blick zu. Einige Zeit später rief sie zum Abendessen. Die Kinder traten aus ihren Zimmern und setzten sich zu den Erwachsenen. Die Familie und die Beamten warteten darauf, daà Chomeini die Tafel eröffnete. Chomeini jedoch starrte regungslos zur Wand. »Betet er?« fragten sich die Familie und die Beamten tuschelnd. Nichts geschah. Plötzlich zeigte Chomeini wütend auf die zwölfjährige Tochter, die ihre Haare offen trug, und schrie giz , giz . Er beherrschte ein paar Worte Türkisch, darunter kiz , »Mädchen«, das er allerdings falsch aussprach. Zu Tode erschrocken stand das Mädchen auf und rannte heulend aus dem Zimmer. Weil es sich weigerte, an den Tisch zurückzukehren, aà es mit seiner Mutter an diesem und den nächsten Abenden in der Küche. Bis hierhin entspricht das Verhalten Chomeinis in all seiner Unerbittlichkeit noch dem Bild, das er von sich entwarf. Als jedoch die iranischen Offiziere aus Bursa abreisten und Chomeini allein bei der Familie zurückblieb, lösten sich die schroffen Züge von einem auf den anderen Abend auf. Wieder weigerte er sich, das Essen anzurühren, und starrte auf die Wand, aber als der junge Geheimdienstoffizier nach dem Grund fragte, erklärte Chomeini nun, daà er so lange nicht essen würde, bis die Damen des Hauses sich an den Tisch setzten. Bald schon hatten sich der Gast und die Familie aneinander gewöhnt. Die Frau des jungen Geheimdienstoffiziers bedeckte ihre Haare weiterhin mit einem Kopftuch, wenn sie bei Tisch saÃen, aber ihre Tochter lief umher wie sie es gewohnt war, und brachte ihre Freundinnen mit nach Hause, die ihre Haare ebenfalls offen trugen. Manchmal stellte sich Chomeini in die Küche, um persische Gerichte zu kochen, und wenn aus Iran SüÃigkeiten eintrafen, verteilte er sie an die Kinder, die den seltsamen Alten zu mögen begannen. In seinem ganzen Leben war Ajatollah Chomeini, wie er selbst gestand, weder für eine Frau aufgestanden, noch hatte er eine fremde Frau angesehen, aber wenn die Frau des jungen Geheimdienstoffiziers ins Zimmer trat, erhob er sich von seinem Platz, schaute ihr von Woche zu Woche freundlicher in die Augen und hielt mit ihr, als er genug Türkisch gelernt hatte, immer öfter ein Schwätzchen. Als er nach drei Monaten in eine eigene Wohnung umzog, hatte er sich an seine Gastgeber so sehr gewöhnt, daà er weiter bei ihnen ein und aus ging. Wenn sie einkauften oder Ausflüge unternahmen, nahmen sie ihn mit, als gehörte er zur Familie. Er ging sogar schwimmen, an einem öffentlichen Strand, obschon er tunlichst vermied, sich nach den Frauen in ihren Badeanzügen umzusehen. Ajatollah Chomeini, der anschlieÃend in Nadschaf im Laufe von zehn Jahren nicht ein einziges Mal am Euphrat spazierengehen sollte, der zwei Häuserblöcke entfernt floÃ, und in Neauphle-le-Château nicht ein einziges Mal das Schloà Versailles besichtigen sollte, das ein paar Minuten Gehweg von seinem Haus entfernt lag, Ajatollah Chomeini band sich ein groÃes Handtuch um und folgte der Familie des jungen Geheimdienstoffiziers ins Marmarameer, auch der Frau und der Tochter in ihren Badeanzügen. Ein knappes Jahr lebte er abgeschirmt in Bursa, bis er die Erlaubnis erhielt, sich in Nadschaf niederzulassen, dem schiitischen Lehrzentrum Iraks. Das ist auch so eine Szene, die sich kein Iraner vorstellen kann: Chomeini allein in den Geschäften beim Kauf von Abschiedsgeschenken. In der Flughafenhalle überraschte er die Familie des jungen Geheimdienstoffiziers ein letztes Mal: Er fing heftig an zu weinen. Auch seinen Gastgebern war so wehmütig ums Herz, daà ihre Augen feucht wurden. Man könnte meinen, die Episode sei nur eine der üblichen homestories aus dem Leben eines Führers. Interessant wird sie vor allem dadurch, daà er selbst nie darüber gesprochen hat und auch seine offiziellen Biographien die Episode verschweigen. Erst der Geheimdienstoffizier und seine Frau gaben 1987 in einem Interview Auskunft über das Jahr mit Ajatollah Chomeini in Bursa. Ein Mensch, der nicht mit der Wimper zuckt, als er von der Ermordung seines Sohnes erfährt, und Tausende hinrichten läÃt, ist beängstigend genug.
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