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Die Besucher schauen sich um: In dieser windigen Ãde also, nutzbar nur dort, wo sie aufwendig bewässert wird, stand der gestürzte Premierminister die letzten Jahre seines Lebens unter Arrest, hier lebte er mit seinem Personal, den Bauern seines Dorfes und den hundertfünfzig Bewachern, hier durften ihn einmal die Woche seine Frau und die Kinder besuchen, hier liegt er begraben, und der Enkel hatte gedacht, daà wenigstens die Natur Mossadegh kein Gegner mehr gewesen wäre. Hier schrieb der gestürzte Premierminister seinem Sohn am 9. Februar 1962: »Die Einsamkeit quält mich. Den Sommer verbrachte ich meist auÃerhalb des Gebäudes und wechselte ein paar Worte mit jedem, der vorbeikam. Aber im Winter, wenn es kalt ist, bleibe ich im Zimmer und geht es sehr schlecht. Ich konnte auch niemanden finden, der vertrauenswürdig ist und mit dem ich reden kann. Um die Wahrheit zu sagen, möchte ich nicht mehr leben.« Das Grundstück ist leicht zu erkennen, da als einziges im Dorf noch mit Lehm ummauert. Den Schlüssel habe der ehemalige Koch, ruft eine Frau im Tschador von der anderen StraÃenseite, als die Besucher an das Eisentor klopfen: erste rechts, zweite links. Der Koch ist ein schlanker, groÃgewachsener Mann mit schneeweiÃem Haar, Schnurrbart und Bartstoppeln, zerknittertem Hemd und einer staubigen Hose, die er mit einem Seil um den Bauch gebunden hat. Sein Vater war einer der Bauern, die der gestürzte Premierminister gebeten hatte, seine Leiche zu waschen, er selbst der Koch, der die Linsen zubereitete, die der gestürzte Premierminister als letztes aÃ. Jetzt ist es genug, sagte Mossadegh, als der Teller leer war, und starb am nächsten Tag. â Es soll keines geben, beantwortet der Koch die Frage nach dem Ortsschild, das fehlt. â Dieser Mann, bestätigt er das Schweigen der Besucher, hat alles für seine Nation geopfert, sein Vermögen, seine Gesundheit, seine Freiheit, sogar seine Tochter, die bei dem Putsch vor Sorge und Aufregung verrückt wurde, sogar sein eigenes Kind, das in die Irrenanstalt gebracht werden muÃte, nicht einmal Gehalt hat dieser Mann als Premierminister angenommen, nicht einmal einen Dienstwagen wollte er haben, nicht einmal Benzingeld für seinen eigenen Pontiac, selbst das Essen für die hundertfünfzig Soldaten, die ihn bewachten, hat er selbst bezahlt, damit er der Nation keine Unkosten bereitet â nun schauen Sie, was die Nation ihm gibt: nicht einmal ein Klingelschild. Nicht einmal der Ort darf ein Schild haben. Selbst seine Nachbarn werden sechzig Jahre nach seinem Tod noch bestraft. Als sein Sohn, der zugleich sein Arzt war, ihm eröffnete, daà seine Krankheit nur in Europa behandelt werden könne und der Schah einer Ausreise bereits zugestimmt habe, auch das Visum bereitliege, verweigerte sich Doktor Mossadegh. Er ziehe es vor zu sterben, als durch eine Behandlung im Ausland die iranische Ãrzteschaft zu beleidigen. Auch das eigene Land habe tüchtige Ãrzte. So gesetzestreu war Doktor Mossadegh, berichtet der Koch, daà er bei seinen Spaziergängen im Garten darauf achtete, nicht einen Schritt über die Grenze seines Grundstücks zu setzen, selbst wo die Mauer ein paar Meter jenseits verlief. â Man schämt sich, wenn man all das erzählt, sagt der Koch, man schämt sich, Iraner zu sein. Mehrfach ist er nach den Besuchern ausgefragt und aufgefordert worden, keine weiteren mehr ins Haus zu lassen. â Ich habe das Brot dieses Mannes gegessen, sagt der Koch: Solange ich den Schlüssel besitze, werde ich jeden in sein Haus lassen, der an seinem Grab ein Gebet sprechen möchte. Der Besitzer des kleinen Ladens gegenüber, der dasselbe Brot gegessen hat, verdient seinen Unterhalt heute damit, die Nummernschilder der Autos zu notieren, die vor dem Haus parken. Als sich einer der Dorfbewohner, der wie alle Dorfbewohner damals zugleich Mossadeghs Angestellter war, einmal darüber beschwerte, von einem der beiden Geheimdienstagenten, einem Herr Schahidi, geschlagen worden zu sein, stellte der gestürzte Premierminister Herrn Schahidi im Wohnzimmer zur Rede. Der Bauer sei drogensüchtig und schade der öffentlichen Moral, verteidigte sich Herr Schahidi. Der Koch, der zusammen mit anderen Bediensteten durch die angelehnte Tür spähte, berichtet, daà Doktor Mossadegh den Griff seines Gehstocks um den Hals des Agenten legte und ihn kreuz und quer durch das
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