Dein Name
Martyriums und Umsonst zu sterben, liebâ ich nicht. Der Hausmeister spielte als Kind mit dem Musiker FuÃball auf der Wiese, als es hier noch Wiesen gab und nicht nur Betonplatten sowie ein steinübersätes Feld mit zwei Toren, auf dem jedes Spiel zur BüÃerprozession geriete. â Richten Sie ihm aus, bittet der Hausmeister und schreibt seine Nummern auf, Festnetz- und Mobiltelefon, daà ich auf den Boden seiner Mutter aufgepaÃt habe, so gut es ging. Der Musiker bedankt sich umgehend für die Kurzmitteilung des Freundes nach München: noch ein Ort, an dem sein Platz tatsächlich leer ist. Ein wenig abseits, wo ringsum der Garten gewesen sein muÃ, steht noch das alte Steinhaus mit der überdachten Terrasse im ersten GeschoÃ, von der Nasrin Azarba als Kind beinah in den See hüpfen konnte. Heutzutage übernachten im Steinhaus die Gruppenleiter, an der Wand die Revolutionsführer, im Wohnzimmer nichts als weiÃe Plastikstühle, in der Küche grünes Plastikgeschirr, ein maschinengewebter Teppich fürs Gebet. Die Besucher gehen zum ehemaligen Ufer, um für die Seele Nasrin Azarbas zu beten. Es ist zu kalt und der See durch den Morast ohnehin unerreichbar, um die Töchter zu baden, wie sie es der Frau auftrug. Wie das Dorf früher hieà und weshalb, vergiÃt der Freund zu fragen.
Noch während der BegrüÃung in Isfahan hält die Mutter dem Sohn das getippte Manuskript hin, siebzig neue Seiten, die ihr Leben bis zur ersten Liebe beschreiben. Für die doppelten oder vertauschten Absätze macht sie die Heirat der jungen Waisen verantwortlich, die sich also nicht an den Rat hielt, mit dem geschenkten Computer zunächst eine Existenz aufzubauen. Wenn sie gleich bei ihrem ersten Auftrag so viele Fehler macht, wird sie es als Sekretärin nie zu etwas bringen, habe sie mit der Waisen geschimpft. Doppelte oder vertauschte Absätze können das Lesen bereichern, warb der Sohn um Nachsicht. Nach dem Abschnitt über Mossadeghs Sturz blendet die Mutter unvermittelt die Gegenwart dazwischen, für die sie wieder den Sohn anspricht: »Mein lieber Navid!« Während er im Roman, den ich schreibe, den Streit mit der Mutter schilderte, am, Moment, er schaut nach, am Montag, dem 11. Juli 2008, um 10:57 Uhr, berichtete sie in ihrer Selberlebensbeschreibung, wie sie in Iran von seiner Operation erfahren hatte, er unter, sie auf der Terrasse des Ferienhauses, so nah waren sie sich und fern. »Fliegen Sie in Ruhe nach Köln«, sagt der Orthopäde in ihrer Selberlebensbeschreibung, nein, nichts Beunruhigendes, keine Sorge, nur eine Zyste oder ein Knorpel, der entfernt werden müsse, auf persisch fiele ihm das richtige Wort nicht ein. Nächste Woche sei der Jüngste schon wieder zu Hause. »Was ist mit ihm?« ist das erste, was die Mutter den Ophthalmologen fragt, der die Eltern am Flughafen erwartet. â »Lassen Sie uns erst einmal nach Hause fahren«, antwortet der Ophthalmologe, »dann erkläre ich es in Ruhe. Es ist nichts Schlimmes.« Zu Hause versetzt sie das Wort Krebs in Panik, obwohl der Internist die neunzig Prozent, bei denen der Jüngste vor dem Befund noch liegt, als praktisch hundert ausgibt. Auch der Orthopäde ist mit seiner Frau eingetroffen, der Psychologin. Mitsamt dem Vater, dessen Fachgebiet die Radiologie war, fast eine Belegschaft, trichtern sie am Donnerstag, dem 1. Mai 2008, der Mutter ein, daà der Jüngste so kurz nach der Operation keinem hysterischen Weinen und Brustschlagen ausgesetzt werden dürfe. Am Sonntag, dem 12. April 2009, ist es um 11:48 Uhr iranischer Zeit keine zwei Stunden her, daà der Jüngste mit Frau und Töchtern in Isfahan eintraf, die Mutter am Einkaufen, die Ãltere mit den Nachbarjungen beim FuÃball, der Vater im Schlafzimmer, die Frau mit der Frühgeborenen beim Auspacken, Wickeln, Baden oder Schlafen, als alles wieder da ist, nein, nicht: wieder , denn die ganze Krankheit über hatte er keine Angst verspürt. Mochte er unter den Umständen leiden, den Schmerzen und den Hormonen nach der Operation, der Ãbelkeit und der Erschöpfung während der Chemotherapie, war die Ruhe, die er ausgestrahlt zu haben scheint, dennoch echt oder jedenfalls so echt gespielt, daà er selbst daran glaubte. Aber wie er nun im Wohnzimmer der Eltern in Isfahan liest, daà die Mutter ins Krankenzimmer trat, in dem er halb delirierte, wie er liest, daà sie
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