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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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Kabbala reichen, um nur jene Traditionslinien zu nennen, mit denen Hölderlin sich nachgewiesenermaßen in der Bibliothek des Tübinger Stifts beschäftigte. Eben hier, in dieser Folge: Bewußtsein, Relativierung und Auflösung der Subjektivität, liegt für mich und meinetwegen nur für mich, nur in meiner Zeit, Not und Ahnungslosigkeit die Verbindung zwischen Jean Paul und Hölderlin: Aus einem Namen wird ein Ich – nicht einmal der Name wird vom Ich bleiben. Und so treffen sich Hölderlin und Jean Paul, die so unterschiedlich sind, als seien sie zwei Dichter verschiedener Epochen, Sprachen, Kulturen, so treffen sie sich wie zwei elliptische Kurven, die sich zum Kreis schließen: nicht die Welt stellen sie dar, sondern das Ich, das Welt ist, literaturgeschichtlich begriffen das alte Motiv der Seelenreise durch Himmel (bei Hölderlin) oder Erde (bei Jean Paul) zu sich selbst.
    Wenn ich am Pult von Theodor W. Adorno nicht wieder mit dem Sufismus anfangen soll, an den der Orientalist beim Motiv der Seelenreise sofort denkt, wird es dem Poetologen vielleicht gelingen, den Gang der Erkenntnis, der sich über vierzig Tage oder vierzig Jahre, einen Roman oder ein Gesamtwerk, einen einzigen Traum oder ein ganzes Leben erstrecken kann, mit Jean Pauls Begriff des Romantischen näher zu bestimmen, um vor den Germanisten wenigstens seine Scham zu bedecken wie Adam und Eva nach dem Biß, der ihnen nicht zustand. Weder Jean Paul noch Hölderlin werden üblicherweise der deutschen Romantik im engeren Sinne zugerechnet, obwohl sie mit ihr zweifellos korrespondierten. Von Schlegel, Brentano und Novalis waren sie beide gleichermaßen entfernt, wenn auch in gegensätzlichen Richtungen. Nimmt man jedoch den sehr viel weiter gefaßten Begriff des Romantischen aus der Vorschule der Ästhetik als Hinwendung zu oder auch nur bloßes Ahnen, Sehnen nach einer anderen Wirklichkeit als der von Raum und Zeit, sind nicht nur Jean Paul und Hölderlin, nicht nur Shakespeare, Cervantes, Goethes Faust oder die Liebesgeschichte der 185. bis 210. Nacht der arabischen Märchen, die in der Vorschule als Beispiel angeführt werden, dann sind von Büchner und Kleist bis Kafka und Heimito von Doderer beinah alle Romantiker, wegen denen die deutsche unter allen Literaturen der Moderne für mich am höchsten steht. »Täglich geh ich heraus, und such ein anderes immer«, beginnt »Menons Klagen um Diotima« geradezu leitmotivisch für Hölderlins Werk und zugleich für das Wesen des Romantischen im Sinne Jean Pauls als »das wogende Aussummen einer Saite oder Glocke […], in welchem die Tonwoge wie in immer ferneren Weiten verschwimmt und endlich sich verliert in uns selber und, obwohl außen schon still, noch immer lautet«. An Gott, Engel oder die Unsterblichkeit mag man glauben oder nicht. Geboren worden zu sein und zu sterben jedoch sind die beiden Phänomene, die aus Raum und Zeit hinausführen und zugleich in Raum und Zeit geschehen. Sie sind die beiden Phänomene, die mit absoluter Gewißheit geschehen und von denen wir mit absoluter Gewißheit nie auf Erden erfahren, wie sie waren oder sein werden. Sie sind das Hilfsverb zwischen Ich und Gott, einmal Präteritum, einmal Futur. Was vor und nach dem Leben ist, können nur die Ungeborenen und die Toten wissen – falls etwas vor und nach dem Leben ist. Nicht einmal mit der Gewißheit können sich die Lebenden beruhigen, daß nichts war, nichts sein wird und somit – spätestens im Angesicht des beschirmten Himmels – bei aller Aufregung auch nichts ist. Was Jean Paul romantisch nennt, gründet im, man könnte sogar sagen: ist der Schrecken, den Hölderlin wahrscheinlich konkreter als jeder anderer Dichter seiner Zeit erlebte. »Doch uns ist gegeben, / Auf keiner Stätte zu ruhen, / Es schwinden, es fallen / Die leidenden Menschen / Blindlings von einer / Stunde zur andern, / Wie Wasser von Klippe / Zu Klippe geworfen, / Jahrelang ins Ungewisse hinab.«
    Der Hodschatoleslam, der die Präsidentschaftswahl auch ohne Manipulationen verloren hätte, wurde nach seinem Interview mit einer amerikanischen Zeitung inmitten einer Menschenmenge von zivil gekleideten, bärtigen Männern an beiden Armen gepackt und zu einem Boot geführt, einem kleinen Fischerkahn aus Holz und ohne Verdeck, der unten am Ufer wartete. Ihm und dem mutmaßlichen Sieger der Wahl war in den

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