Dein Name
den Eltern, die vor Entsetzen buchstäblich die Hände überm Kopf zusammenschlugen. Täglich in den Staub geworfen wird er von seinen Schutzbefohlenen, vor allem der Ãlteren, auf deren Seele er mit seiner Axt, er merkt es, ebenfalls einschlägt, so daà er sich in anderen Alpträumen nicht bedroht, sondern wie ein Amokläufer vorkommt. »Aber hätten sie sich jetzt nicht«, schrieb er in der Urschrift am Montag, dem 23. Juli 2007, über die Ehe der Eltern, »wären sie beide längst tot oder vereinsamt und funktionierte auch der Verbund der vier Brüder nicht, die dann Scheidungskinder wären, was im Individualismus offenbar niemals ein Hinderungsgrund sein darf, weil es andere Individuen sind und die gröÃte unter allen Sünden das Opfer.« Die Geständnisse, die das iranische Staatsfernsehen seit Wochen ausstrahlt, schüchtern vielleicht deshalb noch ein wenig mehr ein als in anderen Systemen, weil die Bereitschaft zum Martyrium tausendvierhundert Jahre eingeübt worden ist. Um Gnade zu betteln, die Gefährten zu verleumden, dem Tyrannen zu huldigen, ist nicht vorgesehen als Muster. Aber was, wenn sie dem Imam Hossein gesagt hätten, daà sie weder ihn noch seine zweiundsiebzig freiwilligen Gefährten martern, sondern seine Tochter vergewaltigen, seinem Sohn die Fingernägel ausreiÃen, seine Frau vergiften würden? Ein Sicherheitsapparat hat tausend Möglichkeiten, mehr Mut zu verlangen, als selbst Petrus aufgebracht hätte, der Fels. Was hätte Jesus getan, wenn statt seiner die Mutter gekreuzigt worden wäre â etwa nicht wie jeder Sohn um Gnade gewinselt oder immer noch wie ein Gott gesagt, wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert? Und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. Mehdi Bazargan, dem GroÃvater am Schluà als einzigem Politiker noch vertraute, haben sie das wörtlich gesagt: Wir quälen deine Söhne so lange, bis dein Herz bricht, und mit dem höchststehenden Gelehrten der schiitischen Welt das gleiche getan, der dennoch als einziger unter den GroÃajatollahs Ghoms auch jetzt noch sein Wort erhebt. Ãhnlich werden sie dem Politiker gedroht haben, der vor nicht einmal fünf Jahren Irans Vizepräsident war und nun im Pyjama und mit Plastikpantoffeln einem jungen, glattrasierten Moderator mit breiten Hosenträgern überm weiÃen Hemd nach dem Vorbild amerikanischer late nights alle Verbrechen beichtete, den Umsturzplan, die Bezahlung, die niederen Motive, und zwar in einem so plaudernden Ton, wie es in der Schreckgeschichte des Totalitarismus wohl beispiellos ist, die ganz hohe Verhörkunst, ausgerechnet den kämpferischen, wortgewandten, von seinen Ideen beseelten Vizepräsidenten in einen Talksessel des Staatsfernsehens zu zwingen, auf dem er locker vom Hocker alles verwirft, wofür er â besser zu sterben â sein Leben lang gestanden hatte.
»Enjoy your stay on board« wünscht der Kapitän am Montag, dem 7. Dezember 2009, was die Ãltere offenbar tut, die ihren Kopf zum Schlafen auf die Lehne gelegt hat, so daà der Handlungsreisende auf die Gefahr, den Abend im Delirium zu verbringen, zum Schreiben die rechte Schulter anheben und zum Erinnern mit dem linken Unterarm den Rand des Notizblocks unter den Laptop drücken muÃ, der ungefähr eine halbe Stunde vorgeht beziehungsweise eine halbe Stunde der Kairiner Zeit nach. Er muà am Pool einen Zug und damit die Quittung erhalten haben, in Kairo fünf Sterne zu wohnen statt im Wohnzimmer des Kommilitonen aus dem Orientalistikstudium, der die Christdemokratie seit neuestem in Kairo vertritt. Vor zwanzig Jahren hatte der Handlungsreisende den Kommilitonen abgeholt, einen zu hochgeschossenen Jungen, die blonden Haare damals schon schütter, unbedarft und zugleich mutig, hatte nie viel Geld, kaufte stets beim Discounter ein, drückte beim Poker immer den Einsatz und hielt den Handlungsreisenden schon als Studenten für einen linken Snob, der im Teehaus die Preise verdirbt. 2:23 Stunden verbleibende Flugzeit, die Batterie bei 82 Prozent, die Ãltere bereits wieder aufrecht und von ihrem Sitznachbar versorgt, der Backgammon lernt und damit ihre Meinung bestätigt, daà kein Volk freundlicher sei als die alten Ãgypter. Unter den sagen wir sechzig Stunden, die ein Wochenende in Kairo bietet, um sie in 2:18 Stunden oder mit 79 Prozent festzuhalten,
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