Dein Name
mir niedergedrückt berichtete, daà sie vor kurzem ihr Kind im fünften Monat tot auf die Welt gebracht hatte. Danach hatte ich endgültig genug von Small talks, so daà ich zu den ersten Gästen gehörte, die die Party verlieÃen, zumal die Musik, die der DJ auflegte, keinen Ausweg auf die Tanzfläche bot. AuÃerdem hatte mir Franz ausführlich von seiner Krebskrankheit erzählt. Damals klang die Erkrankung nicht dramatisch oder schien das Drama fast vorbei, Franz erst ein paar Tage zuvor aus der Klinik entlassen, Prostatakrebs mit mehr als den üblichen Begleiterscheinungen, entwürdigend, schmerzvoll und langwierig. So lange keinen Sex zu haben, klagte Franz und lachte dabei nicht, da für ihn, der Zärtlichkeit so ernst nahm, nichts daran komisch war. Franz sagte auch, daà er immer noch Angst habe zu sterben, obwohl er eigentlich keine Angst mehr haben müsse, da die Heilung nach medizinischem Ermessen feststehe. Deshalb fragte ich danach auch nicht mehr bei ihm selbst nach, sondern erkundigte mich nur ein-, zweimal bei dem gemeinsamen Freund, ob es Franz wieder gutgehe. Er wurde geheilt, wenngleich nach weiteren, mühseligen Behandlungen. Daà er an einem anderen Krebs erkrankte, bekam ich nicht mit und leider sein Urologe auch nicht, sonst wäre Franz womöglich noch am Leben. Er selbst war immer schon aufmerksamer gewesen als andere.
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Silvester in der Kneipe ein Satz von Heimito von Doderer, der nun wirklich kein Trinkspruch mehr ist: »Die Treue ist der längere oder kürzere, mitunter fast wehmütige Nachhall der Liebe.«
In der neuen Folge ihrer Selberlebensbeschreibung, die die Mutter aus Isfahan gemailt hat, taucht GroÃvater gleich zu Beginn auf, als sie gemeinsam die GroÃtante in Teheran besuchen. Ohne ihn einzuweihen, fragt sich die Mutter zur Universität durch und meldet sich für die Aufnahmeprüfung im Fach Literaturwissenschaft an, die sie kurz darauf besteht. Erst mit dem Aufnahmebescheid in der Hand weiht sie GroÃvater ein: »Ich kann ja bei der Tante wohnen.« Auch wenn GroÃvater zunächst nicht widerspricht, besteht kein Zweifel, daà er das Glück einer jeden Frau in der Ehe, der Mutterschaft und im Haushalt sieht. »Es dauerte einige Tage, bis er mich zu überreden begann, mit ihm nach Isfahan zurückzukehren, aber die Tränen, die ich, wie meine Mutter zu sagen pflegte, mit einem Lidschlag aus den Wimpern schütten konnte, brachen ihm das Herz. Um mich wieder fröhlich zu sehen, willigte er ein, mich bei meiner lieben Tante zurückzulassen.« Nachdem die Mutter von der Welt berichtet, die sich ihr in Teheran öffnet â im Hörsaal sitzt sie neben jungen Männern, als ob nichts dabei wäre, und darf sich in den Pausen und sogar in Cafés mit ihnen unterhalten, ohne daà sich jemand wundert â, folgt noch einmal der Zornausbruch GroÃvaters, den die Mutter bereits im Zusammenhang mit dem Sturz Mossadeghs schilderte: Daà Reza Rastegar GroÃvater vorschlägt, die Tante dem Schah vorzustellen, führt der Mutter ins BewuÃtsein, daà sie als älteste Tochter nun bald einen der Freier erhören müsse, die mit ihren Anrufen und Blumen die GroÃeltern weiter in den Wahnsinn treiben. Bevor sie nicht verheiratet ist, so will es die Sitte, dürfen die Schwestern nicht heiraten, die die Vorbehalte der Mutter gegen Männer keineswegs teilen. Folglich setzt auf der dritten der zwanzig neugetippten Seiten, die die Mutter als Probe in Auftrag gab, um über die weitere Zusammenarbeit mit der jungen Waisen zu entscheiden, die Bekanntschaft mit dem Vater ein. GroÃvater wird in der Datei nicht mehr erwähnt, soweit ich es beim ersten Durchblättern sehe, und die Mutter wird In Frieden erst genannt, wenn sie tot ist, möge Gott ihr ein langes Leben schenken. Abgesehen davon hat der Sohn anderes, Dringenderes zu tun, er muà mit der lesbaren Fassung des Romans fortfahren, den ich schreibe, um vielleicht doch noch die Gegenwart einzuholen, bevor er im Sommersemester 2010 ans Pult von Theodor W. Adorno tritt. Andererseits wird dem Sohn in den anderthalb Stunden, die am Donnerstag, dem 7. Januar 2010, nach dem Mittagessen mit der Ãlteren noch bleiben, bevor er die Frühgeborene vom Kindergarten abholt, ohnehin nichts Rechtes mehr gelingen, auÃer daà er vielleicht der Verlegerwunschfaktizität konsequent auf der Spur bleibt, 14:22 Uhr auf
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