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verstummten alle Scherze, als Chomeini wenige Monate vor seinem Tod, den er sich bei ihrer letzten Begegnung wünschte, Montazeri vom Nachfolger zur Unperson erklärte. BBC oder Voice of America strahlte ein Interview aus, das ein iranischer Journalist vor zwei Jahren mit Montazeri geführt hatte. Ob denn die Witze, die in den achtziger Jahren über ihn kursierten, auch ihm zu Ohren gekommen seien, fragte der Journalist. GewiÃ, erwiderte GroÃajatollah Hossein Ali Montazeri und grinste.
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Franz Lehr (7. Dezember 1949 HaÃfurt am Main; 25. Dezember 2009 Berlin) ( Bildnachweis )
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Wäre ich Franz Lehr nicht auf einer Party wiederbegegnet, auf der ich mich so verloren wie auf fast allen Parties seit zwanzig Jahren fühlte, diesmal gar noch in Berlin und mit Gästen zur einen Hälfte aus der Theaterwelt, in der ich am unsichersten bin, weil ich so lange so gern dazugehört hätte, zur anderen Hälfte noch unbekannter als unbekannt, weil ein guter Freund seinen Geburtstag zusammen mit einer anderen Vierzigjährigen feierte, deren Bekanntenkette noch einmal ganz woanders hinführte, ohne daà ich an dem Abend herausgefunden hätte wohin und wer dieser andere Vierzigjährige überhaupt war â hätte nicht zufällig Franz Lehr beobachtet, wie ich ratlos durch die Reihen ging, um mir einen Platz für den unerwartet festlichen Abend zu suchen â mit blütenweiÃen Tischdecken, silbernen Kerzenständern darauf, Kellnern sowie der Ankündigung eines Menüs â, die Tische alle belegt, niemand, der mich auf die einzelnen leeren Stühle einlud, da mich kaum jemand kannte und ich zu stolz war, mich in irgendwelche Bekanntenketten zu zwingen, die zu nichts führen â hätte Franz Lehr mich nicht von weitem zu sich gewunken, wo ein Platz frei war oder er einen freien Platz neben sich schuf, indem er andere aufzurücken bat, ich hätte ihm keinen Platz auf meinem Friedhof anbieten dürfen.
Das ist seltsam. Ich kenne Franz schon so viele Jahre, wir sind uns so oft begegnet, haben zusammengearbeitet, als er die Kostüme für eine Inszenierung am Theater an der Ruhr entwarf, an der ich mitwirkte, und doch ist mir, nachdem ich von seinem Tod erfahren hatte, keine andere Situation auÃer dem vierzigsten Geburtstag des gemeinsamen Freundes eingefallen, die ich als Nähe reklamieren konnte. Wahrscheinlich ist auch Wunschdenken dabei, weil er zu mir stets freundlich war wie zu allen und ich dachte â und er vielleicht ebenfalls dachte â, daà Freundschaft schon noch erwüchse und es bislang nur an Gelegenheiten fehlte oder es nur die üblichen Theatergelegenheiten waren, die zu Scheinfreundschaften anstiften. Nur zu spielen, als sei man befreundet, dazu achtete ich Franz zu sehr, und daà er selbst auch nicht die theaterüblichen Anstalten machte, vertrauter zu tun, als wir waren, obwohl seine Umgänglichkeit sonst so gut in den Betrieb paÃte, mehrte nur meine Sympathie. Obwohl ich mir vorgenommen hatte, bei Trauerfällen niemals mehr Gründe vorzuschieben, bin ich nicht zur Beerdigung gefahren, denn sein Tod war kein Trauerfall für mich, das wäre gelogen, dachte ich, es war traurig, es war ungerecht, es war ein Verlust fürs deutsche Theater, aber ich niemand, der sich zu seinen Nächsten zählen durfte oder auch nur behaupten, er habe etwas Wesentliches, etwas »Erwähnbares«, wie GroÃvater gesagt hätte, über Franz Lehr erfahren.
Natürlich könnte ich etwas zu seinen Kostümen schreiben â seine Bühnenbilder habe ich nicht recht vor Augen â, nur wäre es, wenn ich nicht den gemeinsamen Freund oder andere Theaterleute nach dem Spezifischen von Franzâ Arbeit fragen würde, weniger, als ein beliebiger Kritiker zusammentrüge, da ich in Theatervorstellungen zuwenig auf das Unbelebte achte und auch selten eine begründete Meinung habe, warum Kostüme gelungen oder nicht gelungen sind. Diese Ignoranz macht mich nicht stolz, sondern gehört eher zu den Gründen, warum ich es nicht ans Theater geschafft habe. Allein schon, daà ich wie der Theaterpöbel Kostüme für etwas ÃuÃerliches halte, disqualifiziert mich wahrscheinlich für den Beruf des Regisseurs und hätte Franz aufgebracht, auch gegen mich aufgebracht, nehme ich an, da er seinen Beruf so ernst nahm, wie es sein muÃ, um so gut zu sein, wie es alle von ihm sagen, die
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