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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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den Pool zu gelangen. So wird auch er, wenn er schon keinen Aufpreis zahlt, wenigstens zum Unterhaltungsprogramm beitragen, das den Einheimischen so wichtig ist.
    Ausgerechnet in dem Fragment, das er unmittelbar vor seinem Tod verfaßte, in dem Roman Selina oder über die Unsterblichkeit der Seele hat Jean Paul sich dann doch dem Tod als einer Fügung ergeben. Und Fügung hin oder her, verdanke ich es dem gewöhnlichsten aller Zufälle, daß ich diesen letzten Impuls, auf den meine gesamte Poetik zuläuft, daß ich überhaupt den letzten Band meiner Dünndruckausgabe mitsamt der Vorschule der Ästhetik rechtzeitig vor der Poetikvorlesung lese. Ich – da der Romanschreiber ohnehin nicht fünf Vorlesungen lang von sich als Poetologen reden kann, geschweige denn jedesmal auch vom Enkel, Sohn, Mann, Freund, Nachbar, Handlungsreisenden, Berichterstatter, Orientalisten, der Nummer zehn oder Navid Kermani, bleibt er für den Schluß seiner Poetik beim Ich, wie der Mensch selbst im Koran manchmal der Einfachheit halber in erster Person spricht, auch wenn es strenggenommen ein Zitat bleibt – ich verdanke die Lektüre nämlich der Verspätung eines Flugzeugs. Seit die Frau in einer anderen Stadt arbeitet, verbringe ich buchstäblich jeden freien Augenblick und vor allem die kinderlosen Wochenenden am Schreibtisch, um trotz der vielen Stunden, die mir als alleinerziehender Vater während der Woche fehlen, mit der Verwandlung des Romans voranzukommen, den ich schreibe. Konnte ich für die Urschrift die Struktur eines Lebens, das aus den Fugen geraten war, in den Roman übertragen, benötige ich für die lesbare Fassung nichts dringender als Konzentration, wie Jean Paul gelehrt hat: »Entwirf bei Wein, exekutiere bei Kaffee.« Es ist, bevor mich die Poetikvorlesung wöchentlich einmal in eine andere Stadt und vor so viele Menschen katapultieren wird, ein ruhiges, fast mönchisches Leben, fast zölibatär obendrein, die Wege zwischen Schule und Krabbelgruppe, Wohnung und Büro, Einkaufen und Großeltern zwar zahlreich, aber kurz und immer dieselben, Aufregungen allein diejenigen der Kinder, am größten eine Grippe der Frühgeborenen mit Arztbesuch, kein Kino, kein Konzert, keine Kneipe, keine Freunde, leider keine Reisen, dafür keinen Verkaufsstand mehr auf dem Meinungsbasar, der Radius schon wegen eines gebrochenen Beins – die Nummer zehn im Fußball sollte der Poetologe vielleicht ebenfalls erwähnen – nicht größer als ein Klostergarten. Die nicht von mir festgelegten Termine, die meine Tage zerstückeln, sind ohne Arg, das ist das Schöne, das ich täglich und tief empfinde, keine Besuchszeiten und Angehörigenseminare mehr, keine bedeutenden Konferenzen und aufgeregten Debatten, dafür Judoturniere der Älteren oder Gott sei gepriesen bald schon der dritte Geburtstag der Frühgeborenen, und alle werden dasein. Dazwischen kommen nur die Toten, im Februar erst wieder eine Mitteilung des Vermieters im Briefkasten des Büros, der bedauerte, daß der Hausmeister seine Aufgabe erfüllt und sich um die Häuser verdient gemacht habe, kein persönliches Wort, vielleicht aus der Einsicht, daß das Persönlichste in einem Brief an alle zur Floskel geriete, vielleicht weil der Vermieter über den Hausmeister auch nicht mehr Persönliches zu sagen hatte als wir. Schon wieder jemand tot, dachte ich, möge seine Seele froh, aber innerhalb weniger Wochen der fünfte, wobei ich die Nachricht vom Tod des alten Schreiners in der lesbaren Fassung nach vorn verlegen werde, sonst stürben 2009 zu wenige Menschen, macht doch erst der Tod den Roman lebendig, den ich schreibe. Daß ich dem Hausmeister keinen Namen gab, war, wenn ich mit mir ins Gericht gehe, vielleicht auch meinem Unwillen geschuldet, zum fünften Mal innerhalb weniger Wochen das Tagwerk zu unterbrechen, das einmal als Abfall begonnen hatte und nun bis hin zum Erscheinungstermin und dem Spitzenplatz im Katalog, den sich der Agent im Vertrag zusichern ließ, auf ein Produkt zielt, für das sich der Verlag im selben Vertrag die Gattung Roman zusichern ließ, um den Vorschuß wieder einzuspielen. So häufig habe ich den Hausmeister gesehen, in den letzten Jahren wahrscheinlich häufiger als die eigene Frau und die Kinder, immer im Hof, auf den ich vom Schreibtisch aus blicke, daß es möglich gewesen wäre, ein paar Spuren zu

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