Dein Name
Tag« aufsagt, wie während der Fahrt vom Vater gelernt. Bis nach Deutschland verbunden ist der Sohn über fünfzig Jahre später drahtlos mit der Debatte, ob Muslime dümmer sind, wie die Zeitungskästen fragen, deren Folgerung drei Viertel der Deutschen zustimmen, daà die muslimische Einwanderung ein Minusgeschäft gewesen sei. Selbst der ehemalige Bundeskanzler sagt Minusgeschäft, der vor der Chemotherapie so unnachahmlich die Moderatorin zusammengefaltet hat. Wenn selbst der so etwas sagt, seufzt der Vater am Telefon, der 1963 so penetrant Deutschland lobte und dabei so offenkundig übertrieb, wie es wahrscheinlich nicht einmal den patriotischsten Deutschen eingefallen wäre. Ihr Deutschen könnt mich alle mal kreuzweise, denkt der Sohn, dessen Vater auf der StraÃe vor dem Hochhaus in Erlangen von Krankenhausvertretern abgepaÃt wurde, die aus dem Auto sprangen, um Arbeitsverträge hinzuhalten, wirklich wahr, damit er bloà nicht zurückkehrt, und der Professor sprach von der moralischen Pflicht, Deutschland mit aufzubauen, da der Vater hier nun studiert habe, so waren die Verhältnisse, sagt sich der Vater jeden Abend, wenn er ungläubig die Talkshows verfolgt, wie er dem Sohn am Telefon gesteht: Hättet ihr uns doch vor fünfzig Jahren schon klargemacht, daà wir nicht gewollt sind, daà es ein Fehler ist, mein Leben ein Fehler und ich ein Idiot, sagt der Vater dem Sohn, der trotz des Kredits, den er ab dem 1. September allein abbezahlen muÃ, alle Anfragen abwimmelt, die ihn noch unter den tief herabhängenden Zweigen eines mächtigen Marronibaums erreichen. Die Vermieter sind keine Unholde, nur mit anderen Sitten und selbst unsicher, da noch nie zuvor Mohammedanern begegnet, laden die Eltern zur Adventsfeier ein, auf der die Mutter den Glühwein für warmen Traubensaft hält, sonderbar gewürzt nur, vom Stuhl kippt und vom Vater etwas angestrengt lächelnd aus der Tür, durch den Laden bis ins Bett getragen wird, wo sie die Augen eines Rehs erst am nächsten Morgen wieder aufschlägt. Merkwürdig, diese Mohammedaner, werden die Vermieter gedacht haben. Als die Eltern sich ein Zimmer ohne Putzen und Hausmeisterei leisten können, fragt die Vermieterin beim Auszug die Mutter, ob sie etwa Lebensmittel eingesteckt habe, die ihr nicht gehören. Im Zorn reiÃt der Vater die drei Koffer auf, die die Eltern besitzen, und verstreut alle Habseligkeiten auf dem Boden des Ladens, in dem sich auch mehrere Kunden aufhalten. â Meine Frau wollte doch nur sichergehen, versucht ihn der Vermieter zu beruhigen: Als Sie einzogen, habe ich ohnehin alle Waren numeriert. Putzen müssen die Eltern im neuen Zuhause dennoch die Treppen eines Gott steh mir bei Hochhauses, obwohl nichts davon im Vertrag steht, aber sonst hole ich die Polizei. Im Haus der GroÃeltern in Isfahan rief die Mutter ein Dienstmädchen ans Bett, wenn sie nachts durstig war. Daneben die ersten Glücksmomente, die das Heimweh freilich nicht aufwiegen und auch nicht die Wut auf den Vater, der sie mit seinen täglichen Briefen ins Land der Franken gelockt, ohne Einkommen, ohne Sprache, ohne Wohnung und mitten im Winter: im Frühling, der freilich zwei Monate später als in Isfahan beginnt, die Blumenbeete und Spielplätze in den Parkanlagen, die Freiheiten als Frau und daà alles so ordentlich ist, so geregelt und sauber, die ersten Bekanntschaften, bald sogar Freundschaften mit Deutschen, die recht betrachtet keine schlechteren Menschen sind. Jeder einzelnen der Begegnungen gebührte ein Absatz im Roman, den ich schreibe, der Kommilitone des Vaters etwa, der eigens die Mutter besucht, um sie zu überreden, die schlafenden Kinder für ein paar Stunden allein zu lassen. So herzlich ist die Party trotz Sprachbarriere, daà die Eltern den letzten Zug verpassen und die Freundin des Kommilitonen, die später als Ãrztin nach Afrika ziehen wird, die Mutter auf dem Gepäckträger acht Kilometer zurück in die Stadt radelt. Den persisch transkribierten Namen des berühmten Professors, der für Arbeiten im Labor zweihundert Euro monatlich aus der eigenen Tasche zahlt, um einem mohammedanischen Studenten über die Runden zu helfen, könnte ich bestimmt in medizinischen Bibliotheken überprüfen. Die Alte, die jeden Vormittag auf der Parkbank sitzt, bis die Mutter sich einfach mal neben sie setzt und von da an jeden Tag zur selben Zeit, heiÃt
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