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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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in den Wagen, und ohne sich noch einmal umzusehen, raste er mit quietschenden Reifen davon.
    Hätte er gewusst, dass es das letzte Mal war, dass er sie sah, wäre er nie gefahren. Niemals!
    Zwanzig Kilometer später hatte er sich beruhigt, hatte den Wagen gewendet und war zurückgefahren. Doch sie war fort gewesen, spurlos verschwunden. Das Gras war noch zerdrückt gewesen an der Stelle, an der sie gelegen hatte. Wenn er daran zurückdachte, fühlte Ulf wieder die feinen Halme unter seinen Fingern und den verbliebenen Hauch von Feuchtigkeit. Er hatte seine Hand auf den Platz gelegt, als ob die Pflanzen ihm erzählen, einen Hinweis geben könnten, wo er suchen musste.
    Das war der Beginn eines monatelang andauernden Alptraums. Immer und immer wieder hatte er die letzten Szenen in seinem Gedächtnis durchgespielt und nach Anhaltspunkten gesucht, die sie ihm gegeben haben könnte. Er hatte sie im Stich gelassen. Das war das Einzige, was sich für ihn herauskristallisierte, und die Scham darüber drohte in den folgenden Jahren bisweilen die Trauer über ihren Verlust zu überlagern. All seine Nachforschungen und auch die Vermisstenmeldung, die er aufgegeben hatte, waren ergebnislos im Sand verlaufen. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Der Tankstellenpächter hatte ihm nur sagen können, dass sie ihre Tasche genommen hatte und zur Straße gegangen war. Niemand wusste, was dann geschehen war. Während er noch darüber nachdachte, legten sich ihr Bild von dem Radarfoto und die Erinnerung an jenen Sommertag übereinander und wurden eins. Wer war sie heute? Wen würde er treffen? Warum war sie damals verschwunden?

    Diese Fragen bewegten Ulf noch immer, als er nach zwei weiteren Stunden Fahrt auf einem der schmalen Wege, die zum See hinunterführten, den Motor ausschaltete und den Wagen auf den letzten Metern im Dunkeln ausrollen ließ.
    Warmes Licht fiel aus den Fenstern des Hauses auf die geräumte Zufahrt, in der ein dunkler Kleinwagen stand. Der Anblick des deutschen Kennzeichens ließ Ulfs Herz schneller schlagen und bestärkte ihn in der Hoffnung, dass wirklich sie es war, dort in dem Haus, in dem sie einst Pläne für ihre gemeinsame Zukunft geschmiedet hatten.
    Er saß lange da, unsicher, was er tun sollte, so lange, bis die Kälte durch die Dichtungen seines Audis kroch. Behutsam nahm er den Gang raus, und der Wagen rollte den Berg hinunter langsam an. Erst als er das Grundstück weit hinter sich gelassen hatte, startete er den Motor.
    Wie würde sich die Lücke füllen lassen zwischen den beiden Leben, die sie getrennt verbracht hatten? Gäbe es noch eine Verbindung, oder war alles erloschen? Er würde es wissen, wenn er vor ihr stand.

4.
    B jörn Nyborg sah von seiner Arbeit am Laptop auf und trat ans Fenster, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung auf der Grundstückseinfahrt wahrnahm. Die Sonne stieg gerade über die Bergkuppen auf der gegenüberliegenden Seite des Sees, und ihre Strahlen blendeten ihn, so dass er seine Augen mit der Hand beschatten musste. Ein großgewachsener, schlanker Mann kam auf das Haus zu. Er trug schwere Winterstiefel, eine wattierte Hose und darüber eine dunkle Daunenjacke. Gegen die bittere Kälte hatte er seine Wollmütze tief ins Gesicht gezogen und die Hände in den Taschen seiner Jacke vergraben. Björn erkannte sofort, wer dort auf dem Weg zu ihm war, und öffnete die Tür just in dem Moment, als sein Besucher die Klingel drückte.
    »Hej, Ulf«, begrüßte er ihn und strahlte ihn überrascht an. »Was treibt dich zu uns in den Norden?«
    »Hej, Björn.« Auch Ulf Svenssons dunkle Augen leuchteten beim Anblick seines alten Freundes. »Ich hoffe, ich störe nicht.«
    Björn schüttelte lächelnd den Kopf. »Ganz im Gegenteil.«
    Ulf brachte einen Schwall eisiger Luft herein, und Björn schloss hastig die Tür hinter ihm. »Komm, leg deine Sachen ab. Ich hab Kaffee aufgesetzt.«
    Ulf zog sich die Mütze vom Kopf, entledigte sich der Winterstiefel und seiner Jacke und folgte Björn ins Esszimmer, wo er mit erstauntem Blick die über den ganzen Tisch ausgebreiteten Papiere und Unterlagen registrierte.
    »Momentan ist im Baugeschäft nicht viel zu tun«, kommentierte Björn die Unordnung. »Die beste Zeit, meine Buchhaltung auf den neuesten Stand zu bringen.«
    Ulf nickte anerkennend. »Du machst das immer noch alles selbst?«
    »Dann verliere ich wenigstens nicht den Überblick«, erwiderte Björn augenzwinkernd, schob die Unterlagen zu einem Stapel zusammen und klappte seinen

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