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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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genauso attraktiv wie in jungen Jahren.«
    »Das ist er«, gab Caroline zu.
    Sie saß noch lange, nachdem sie aufgelegt hatte, reglos mit dem Telefon in der Hand auf dem Stuhl. Nach einer Weile kam der Hund zu ihr und legte seinen Kopf auf ihre Beine. Abwesend streichelte sie ihn. Sie hatte nicht gewagt zu fragen, was genau Andra geträumt hatte. Und jetzt war es zu spät. Ihre Tante würde ihre Schlüsse ziehen, wenn sie noch einmal anrief.
    Einen entsetzlichen Alptraum.
    Andras Worte verfolgten Caroline und hielten sie wach, als sie sich wenig später aufs Bett legte. Andra hatte von ihr und Ulf geträumt, und von Björn hatte sie soeben auf dem Heimweg erfahren, dass Ulf vor fünf Jahren das letzte Mal im Tal gewesen war. Caroline schauderte. So viel Zufälle gab es nicht, konnte es nicht geben. Sie musste fort, je schneller, desto besser.
    Mit klopfendem Herzen sprang sie aus dem Bett, riss den Schrank auf und griff nach ihrer Reisetasche. Wahllos stopfte sie ihre Kleidung hinein, mehr und immer mehr, bis sie plötzlich innehielt. Wo wollte sie überhaupt hin? Wo würde sie Zuflucht finden? Sie starrte auf die gepackte Tasche zu ihren Füßen und den Pullover in ihrer Hand und spürte, wie ihr die Tränen kamen. Das Schlafzimmer verschwamm. Was sollte sie bloß tun?
    Sie ballte die Hände zu Fäusten, und der Schmerz, mit dem sich ihre Fingernägel in die Handballen gruben, brachte sie wieder zur Besinnung. Sie durfte nicht durchdrehen. Sie musste sich beruhigen. Nachdenken. Langsam setzte sie sich auf ihr Bett. Ulf war nicht zufällig hier, vielleicht hatte er erfahren, dass sie da war, und war gekommen, um sie wiederzusehen und mit ihr zu sprechen. Jeder im Dorf konnte ihn angerufen haben. Die meisten wussten, was damals geschehen war. Hätte er sie nicht längst damit konfrontieren müssen, wenn es einen anderen Grund für seinen Besuch gab? Er hatte genügend Gelegenheiten gehabt. Gestern Abend und den ganzen heutigen Tag, den sie wie ganz normale Wochenendurlauber verbracht hatten. Wenn sie darüber nachdachte, konnte sie es kaum fassen. Ebenso wenig wie ihre Zusage, sich heute Abend mit Björn, Maybrit und Ulf im Fjällkrogen zu treffen. Das war absurd. Sie würde nicht gehen. Sie hatte die anderen schon zu dicht an sich herangelassen. So viel Nähe war nicht gut. Nicht in ihrer Situation. Sie fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen, während sie sich an Björns Worte erinnerte. Mach dich hübsch! Was für ein Irrsinn.
    Dennoch huschte ihr Blick über den verbliebenen Inhalt des Kleiderschranks. Sie hatte es bis hierhin geschafft. Warum sollte es nicht weitergehen, wenn sie nur subtil genug vorging? War das nicht vernünftiger, als schon wieder Hals über Kopf wegzulaufen?
    Sie stand auf, zog ein Oberteil aus dem Schrank und strich mit den Fingern über die im Licht matt schimmernde Seide. Fast zu fein für den Fjällkrogen. Das letzte Mal hatte sie es auf einer Berlinreise mit Thomas getragen. Ihr Blick fiel auf die dunkle, fast neue Jeans, die gleich daneben hing. Sie würde es wagen. Diesen einen Abend noch. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und ging ins Bad. Sie war gerade fertig, als sie Björns Wagen kommen hörte.
    Er pfiff bewundernd durch die Zähne, als sie ihm die Tür aufmachte. »Himmel, Lilli, du siehst großartig aus.«
    Sie lächelte, zuckte verlegen mit den Schultern. »Mach dich hübsch, hast du gesagt, oder?«
    Er schluckte. »Ich werde den ganzen Abend um dich kämpfen müssen. All die anderen Männer vertreiben …«
    »Na«, fiel sie ihm ins Wort. »Ich bin sicher nicht die einzige Frau – und bei weitem nicht die jüngste.«
    »Sch«, machte er nur und half ihr in die Winterjacke. Beim Hinausgehen zog sie einen Schal aus dem Schrank und legte ihn gegen das Schneetreiben, das gerade eingesetzt hatte, über ihr Haar.

    Als sie wenig später den Fjällkrogen betraten, bemerkte sie, wie Ulf sich bei ihrem Anblick aufrichtete und die Augen nicht mehr von ihr ließ, während sie und Björn auf den Tisch zuhielten, an dem er mit Maybrit auf sie wartete. Es war vorausschauend von Björn gewesen, einen Tisch zu reservieren, denn das Lokal war bis auf den letzten Platz besetzt. Musik und Stimmengewirr umfingen sie, die Bedienungen balancierten große Tabletts mit Essen und Getränken zwischen den Tischen hindurch, und in einem offenen Seitenraum waren Musiker dabei, ihre Instrumente zu stimmen. Als Maybrit Björn und Caroline entdeckte, stand sie auf und kam auf sie zu. Sie

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