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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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sogar seinen Kollegen ihretwegen belogen. Er schenkte sich ein weiteres Glas ein, um die Stimmen in seinem Kopf endlich zum Schweigen zu bringen.
    »Na, du hattest doch nicht vor, die heute Abend allein leer zu machen?«
    Ulf sah auf. Björn stand vor ihm, und sein Gesichtsausdruck strafte den scherzhaften Tonfall Lügen. Hör auf, dich zu betrinken, warnten seine Augen. Ulf fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Warum holst du nicht noch ein paar Gläser?«, fragte er. Seine Stimme klang erstaunlich klar. »Ich hab noch nie gern allein getrunken.«
    Maybrit wollte etwas sagen, doch ein Mann von einem der Nebentische forderte Caroline zum Tanzen auf. Ulf kannte ihn, ihm gehörte der Skooter-Verleih im Dorf. Und natürlich kannte Caroline ihn auch von früher. Mit zusammengezogenen Brauen sah er ihnen nach, als er sie zur Tanzfläche führte und sie auf eine Bemerkung seinerseits hin auflachte.
    »Soll ich dich nach Hause fahren?«, fragte Maybrit.
    Ulf schüttelte den Kopf. »Nicht nötig. Den Weg finde ich auch allein.« Er setzte sich auf. »Willst du mich loswerden?« Ihre kühle, beherrschte Art reizte ihn.
    »Nein, ich will nur einen unnötigen Skandal vermeiden«, erwiderte sie ruhig.
    »Ich fahre morgen zurück nach Stockholm«, sagte er bitter. »Dann brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen, dass ich den Namen Svensson in Misskredit bringe.«
    Sowohl sie als auch Björn sahen überrascht auf. »Das kommt unerwartet«, bemerkte Björn.
    Ulf antwortete nicht, sondern starrte auf die Tanzfläche. Er musste mit Caroline reden. Er durfte ihre Aussprache nicht länger hinauszögern. Dann würde er abreisen. Als die Musik verklang, stand er auf. Maybrit griff nach seinem Arm, aber er schüttelte ihre Hand ab. Er wusste, dass er zu viel getrunken hatte. Aber er war noch Herr seiner Sinne, auch seiner Bewegungen. Es gehörte mehr als eine halbe Flasche Schnaps und ein paar Bier dazu, um ihn wanken zu lassen. Caroline verließ gerade die Tanzfläche, als er wortlos nach ihrem Handgelenk griff und sie zurückzog. Sie wehrte sich, und ihr Tanzpartner wollte protestieren, doch ein Blick von Ulf genügte, dass der Mann das Feld freiwillig räumte.
    Ulf sah in Carolines erschrockenes Gesicht. »Darf ich bitten?«, fragte er spöttisch und zog sie in seinen Arm. »Wir müssen reden.«
    »Hier?«, entgegnete sie entsetzt. »Jetzt?«
    »Hier und jetzt«, bestätigte er. »Ich kann mir keinen besseren Ort vorstellen.«
    Zum ersten Mal an diesem Abend nahm er ihr Parfum wahr, ein leichter Duft, der ihn an eine Blumenwiese im Sommer denken ließ. Er passte zu jener Caroline, die er einmal gekannt hatte. Zu dem zerdrückten Gras an der Tankstelle in jenem Sommer, in dem er sie verloren hatte.
    »Ich möchte nicht mit dir reden, wenn du in einer solchen Stimmung bist«, sagte sie und versuchte, sich aus seinem Arm zu befreien. »Lass mich gehen.«
    »In was für einer Stimmung bin ich denn?«, fragte er herausfordernd.
    »Du bist betrunken.« Wut blitzte in ihren Augen.
    »Hast du dich mal gefragt, warum?«
    »Was geht es mich an, wenn du dich betrinkst«, erwiderte sie voller Zorn. »Ich will damit nichts zu tun haben.« Wieder versuchte sie, sich loszureißen.
    »Es geht dich nichts an?«, fuhr er sie an. »Du kommst hierher und erzählst mir von einer Tochter, die ich hatte und die gerade gestorben ist, und glaubst …«
    »Ich glaube gar nichts«, unterbrach sie ihn. »Und ich bin bereit, jederzeit mit dir zu reden. Aber nicht hier. Nicht so.«
    Sie gab sich verdammt selbstbewusst. Er nahm es ihr jedoch nicht ab, er spürte ihre Angst. Sie war wie ein Tier, das, in die Ecke gedrängt, von Verteidigung auf Angriff umschaltete. Ihr Brustkorb hob und senkte sich zu schnell, ihr Atem flog wie nach einem Lauf. Ahnte sie, dass er um ihr Geheimnis wusste?
    Die Musik setzte ein. Sphärische Keyboardklänge und ein allzu vertrauter Basslauf. Ulf erstarrte, als er die Melodie erkannte. Caroline bemerkte es im selben Moment wie er. Er spürte es an ihrer ganzen Haltung, besonders aber daran, wie sich ihre Finger in seine Schulter gruben. »I have the time, so I will sing … yeah …«, sang der Kopf der Band den Billy-Idol-Hit Catch My Fall.
    Gab es ein Zuviel an Erinnerung? Ulf war auf einen Schlag nüchtern. Lost song of lovers, fellow travellers … yeah … Er wollte flüchten. So wie er vor diesen Klängen in den vergangenen Jahren immer geflüchtet war, weil sie untrennbar mit der Frau verbunden waren, die er jetzt im Arm

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