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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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war für ihn beinahe ein Schuldeingeständnis.
    »Warum warst du hier?«, wollte sie wissen, und ihm entging nicht die Anspannung in ihrer Stimme. Er bewunderte ihren Mut. War es der Mut der Verzweiflung? Er war versucht, ihr ebenso direkt zu antworten, die Karten auf den Tisch zu legen und ihr die Dokumente zu zeigen, die er seit dem Vormittag in der Innentasche seiner Jacke mit sich trug. Er hatte es nicht gewagt, sie in seinem Gepäck in Maybrits Haus zu lassen. »Maybrit und ich mussten ein paar Dinge regeln«, erwiderte er stattdessen beiläufig.
    Atmete sie auf? War das ein Zeichen von Erleichterung? Es war zu dunkel im Wagen, um es mit Sicherheit sagen zu können. Er sah nur, wie sie sich aufrichtete. »Du … wolltest mit mir reden«, bemerkte sie dann zögernd.
    »Das hat sich erledigt«, erwiderte er und begrub damit all die Fragen, die er noch hatte zu Lianne, dieser Tochter, die er nie kennengelernt hatte, zu ihrem Leben und ihrem Tod. Er hoffte, dass er für alles andere, was er damit gleichzeitig begrub, Håkan niemals Rede und Antwort würde stehen müssen.
    Caroline fuhr mit dem Finger über das Armaturenbrett. »Schade, dass wir so wenig Zeit füreinander hatten.«
    »Ich hatte heute Abend nicht den Eindruck, dass du wild darauf warst, Zeit mit mir zu verbringen.«
    »Es tut mir leid, wenn ich abweisend war«, sagte sie entschuldigend. »Es war alles ein bisschen viel – und dann noch das Lied …«
    »Das war ein ziemlicher Overkill«, gestand er.
    Sie sah ihn von der Seite an. »Woran hast du dabei gedacht?«
    »Woran ich dabei gedacht habe?«
    »Ja, das war meine Frage.«
    »Willst du es wirklich wissen?«
    Sie nickte.
    »An das Muttermal auf der Innenseite deines Oberschenkels.«
    Ein Lächeln spielte um ihre Mundwinkel.
    »Hast du es noch?«
    »Willst du es sehen?«
    Sein Mund wurde plötzlich trocken. Er schluckte.
    »Sorry«, sagte sie entschuldigend. »Ich hätte diese Frage vielleicht nicht stellen sollen.« Sie sah zum Haus. »Ich sollte jetzt besser reingehen. Der Hund bellt sich vermutlich schon die Seele aus dem Leib.«
    Sie öffnete die Tür, und eisige Luft strömte herein. Er griff nach ihrem Arm. »Lilli?«
    Sie sank in den Sitz zurück. »Ja?«
    »Es war schön, dich wiederzusehen.«
    Sie nahm seine Hand. »Das fand ich auch. Pass auf dich auf.«
    Die Wagentür schlug hinter ihr zu. Sie war nie ein Freund langer Abschiede gewesen. Er wartete, bis sie an der Haustür war, dann ließ er den Motor wieder an. Als er rückwärts vom Grundstück fuhr, sah er im Lichtkegel seiner Scheinwerfer den Hund von der Veranda herab in den Schnee springen. Im Haus ging das Licht an. Er lenkte den Wagen auf die Straße, legte den ersten Gang ein und gab Gas. Es fiel ihm nicht leicht, Caroline zurückzulassen, aber es gab keinen anderen Weg, nicht in dieser Situation. Er warf einen letzten Blick in den Rückspiegel. Den Elch, der just in diesem Moment aus dem Wald auf die Straße trat, bemerkte er zu spät. Ulf machte eine Vollbremsung, der Wagen geriet ins Schlingern. Es gab einen fürchterlichen Krach, als er das große Tier frontal erwischte. Das Letzte, was er wahrnahm, war der riesige Kopf des Elchs, der gegen die Windschutzscheibe prallte, und das Blut, das über das zersplitternde Glas rann. Dann wurde alles schwarz.
    *
    »Ulf …!« Die Stimme kam von weit her. Carolines Stimme. »Ulf, verdammt, komm zu dir!« Etwas Kaltes klatschte in sein Gesicht und nahm ihm den Atem. Er wollte seine Augen öffnen, aber seine Lider waren schwer wie Blei. »Ulf, wach auf!« Etwas Kaltes landete nun auch auf seiner Brust.
    »Verdammt«, stieß er mühsam hervor. »Was machst du da?« Endlich gelang es ihm, die Augen zu öffnen. Er saß am Steuer seines Wagens. Allmählich hob sich der Schleier, und die Erinnerung kehrte zurück. »Da war ein Elch …«
    »Ein junger Bulle, ja …«
    Unter Schmerzen richtete er sich auf und atmete gegen seine Benommenheit an. Blinzelte. Umständlich erhob er sich aus dem Wagen und stützte sich auf die Tür.
    Das Tier lag vor dem Audi in einer Blutlache, die im weißen Schnee tiefrot leuchtete. Die Augen des Tiers waren trübe. »War er sofort tot?«
    Caroline schüttelte den Kopf, und erst jetzt bemerkte er das Gewehr, das am Wagen lehnte. »Die Vorderläufe waren gebrochen«, sagte sie ruhig.
    »Du kannst also immer noch schießen«, murmelte Ulf.
    »Das verlernt man ebenso wenig wie das Skilaufen.« Sie betrachtete ihn skeptisch. »Kannst du mir helfen, ihn an den

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