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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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Stimme war ruhig und besänftigend.
    »Ja«, stimmte Maybrit ihr zu. »Und es zeugt von Hochmut.«
    »Es tut mir leid, Maybrit.«
    Maybrit atmete tief durch. »Mir auch, Alma.« Sie griff nach ihrem Mantel, den sie achtlos über einen der Küchenstühle gelegt hatte. Sie musste raus, allein sein. »Tut mir leid, aber ich muss nach Hause.«
    Alma nickte nur. »Geh ruhig. Wir kommen hier zurecht.«
    Blind für alles und jeden, der ihr begegnete, eilte Maybrit davon. Sie zwang sich zur Ruhe, zum kühlen Nachdenken. Es musste Unterlagen geben für das, was Alma ihr erzählt hatte, handfeste Beweise. Sie würde sie finden. Als sie jedoch ihre Haustür hinter sich schloss und auf das Bild blickte, das dem Eingang gegenüber an der Wand hing, überwältigte sie pure Wut. Sie riss das Bild aus seinem Rahmen, zerknüllte es und warf es zu Boden.
    Wenig später stand sie im Wohnzimmer am Fenster und starrte in die Dunkelheit über den See, als es an der Tür klingelte. Sie reagierte nicht, doch das Klingeln hörte nicht auf. Es war Björn.
    »Geh weg«, fuhr Maybrit ihn an. »Ich will allein sein.« Sie wollte ihm die Tür vor der Nase zuschlagen, doch er war schneller, stand plötzlich im Flur und zog sie in seinen Arm. Kälte strömte aus seiner Kleidung. Er roch nach Schnee und Maschinenöl, und sie sah die Spuren der Erschöpfung der letzten Tage in seinem Gesicht. »Meine Mutter hat mir alles erzählt«, erklärte er ruhig. »Deswegen bin ich hier.«
    Maybrit spürte, wie ihr die Tränen kamen. »Bitte, geh!«, wiederholte sie, doch Björn schüttelte den Kopf und schob sie vor sich her ins Wohnzimmer, wobei sein Blick auf das zerknüllte Bild auf dem Boden fiel. Er hob es auf und glättete es. »Das ist alles sehr lange her, Maybrit«, erinnerte er sie. »Und an dem, was geschehen ist, können wir heute nichts mehr ändern.«
    »Das ist ja das Unerträgliche«, entgegnete sie bitter.

27.
    H åkan Bergström saß in Ulfs Büro in der Stockholmer Polizeibehörde und betrachtete den akribisch aufgeräumten Schreibtisch seines Kollegen. Zu Beginn ihrer Zusammenarbeit hatte er sich gefragt, ob Ulf wirklich pedantisch war, aber dann hatte er irgendwann erkannt, dass Ordnung für Ulf Svensson ein elementares Bedürfnis war. »Als Ausgleich für das Chaos in meinem Kopf«, hatte Ulf einmal augenzwinkernd behauptet, und Håkan erinnerte sich, wie er darüber gelacht hatte, aber tatsächlich steckte mehr als nur ein Funken Wahrheit in dieser Aussage. Ulf war ein genialer Polizist, nicht umsonst hatte er in einem der anspruchsvollsten Dezernate der schwedischen Polizei eine beispielhafte Karriere absolviert, aber wenn bei einem Menschen Genie und Wahnsinn dicht beieinanderlagen, dann bei ihm. Seine Arbeit lebte von seiner Leidenschaft, und wo er auftauchte, gerieten die Ermittlungen in Bewegung – solange es ihm gelang, die Finger vom Alkohol zu lassen. So mitreißend er im Positiven sein konnte, so zerstörerisch wurde er, wenn ihn seine düsteren Phasen packten, in denen er sich von der Welt zurückzog, sich bis zur Besinnungslosigkeit betrank und in Selbstmitleid badete. Diese Phasen waren seltener geworden im Laufe der Jahre, dafür, so hatte Håkan das Gefühl, umso intensiver. »Du wirst dich eines Tages zu Tode saufen«, hatte er Ulf unlängst gewarnt, doch dieser hatte nur mit den Schultern gezuckt. »Dann war es das eben.«
    »Er braucht eine Familie, für die er Verantwortung übernehmen muss«, hatte Mette vor vielen Jahren schon konstatiert und sich immer wieder bemüht, für Ulf die passende Frau zu finden. Er hatte ihre Einladungen stoisch ertragen, hatte mit Mettes Bewerberinnen geplaudert und war mit einigen ins Bett gegangen. Er war höflich und ausgesucht charmant, er verführte sie, wenn ihm danach war, und blieb doch stets unnahbar.
    »Oberflächlich«, hatte Mette geschimpft. »Und völlig leidenschaftslos.« Irgendwann hatte sie genug davon gehabt, Frauen mit gebrochenen Herzen zu trösten und Scherben aufzufegen, und ihr Projekt eingestellt. Doch sie war, wie es ihre Art war, ungehalten gewesen, und das Verhältnis zwischen ihr und Ulf hatte sich merklich abgekühlt. Håkan hatte vergeblich versucht zu vermitteln, aber letztlich hatte die Zeit die Wogen geglättet. Mette hatte ihre Erziehungsversuche auf ihren Ehemann beschränkt und Ulf wie ein exotisches Tier betrachtet, das man für seine Schönheit und Fähigkeiten bewundern und vielleicht sogar lieben konnte, aufgrund seiner Andersartigkeit jedoch nie

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