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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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Richtung ziemlich genau in der Mitte des Sees in der Nähe der kleinen Insel.«
    »Wir sind gleich bei euch«, versicherte Håkan.
    Björn blickte in Carolines blasses Gesicht, auf ihre blau angelaufenen Lippen. »Warum hast du nicht mit uns geredet?«, fragte er leise. »Wofür hast du uns denn?« Erneut tastete er nach ihrem Puls. War er schwächer geworden? Es war unerträglich, so völlig machtlos zu sein gegen die Kälte und das Gift der Schlaftabletten, das sich unaufhaltsam in ihrem Blut ausbreitete. Wo blieb der Hubschrauber? Der Schall trug weit über den See. Hätte er ihn nicht längst hören müssen?

35.
    U lf glitt zwischen Bewusstlosigkeit und kurzen wachen Momenten hin und her. Eindrücke überlagerten sich: das Klopfen der Rotoren eines Hubschraubers, Maybrits sorgenvolle Augen, Licht, viel zu helles Licht, und das Gesicht eines Fremden, der sich über ihn beugte. Stimmen. Endlose Flure, durch die er glitt wie im Nebel. Wärme. Sauerstoff durch eine Maske und der flüchtige Gedanke, dass es allein seine Entscheidung war, ob er leben oder sterben würde. Sie konnten ihn nicht zwingen, er kannte sich aus, es war nicht das erste Mal, dass er dem Tod begegnete.
    Aber sie ließen ihn nicht sterben.
    Sie pumpten fremdes Blut in ihn.
    Es strömte durch seine Arterien und Venen, durch sein Herz und reicherte sich in seiner Lunge mit Sauerstoff an. Es trug diesen Sauerstoff in seine Organe, seine Zellen und jagte jenen Funken durch seinen Körper, der den Willen zum Überleben anfachte.
    »Ulf, hörst du mich?« Maybrits Stimme zog ihn aus der Bewusstlosigkeit, zwang ihn zurück. »Ulf?«
    Er schlug die Augen auf. Da war sie, vor einer Wand blinkender Armaturen. Er runzelte die Stirn.
    »Du bist im Krankenhaus in Sveg.«
    Er nickte, erinnerte sich an die endlosen Flure. Schritte auf Linoleum. An den Hubschrauber. An …
    »Lilli …?« Es kam fast lautlos, aber Maybrit verstand ihn.
    »Lilli ist hier«, versicherte sie ihm. »Björn hat sie gefunden.«
    Die Erleichterung nahm ihm den Atem.
    *
    »Seine Werte stabilisieren sich.« Papier raschelte. Ein Windzug streifte ihn. Fremde Gerüche. Jemand strich die Bettdecke glatt und berührte flüchtig seine Hand. »Sollen wir ihn verlegen, was meinst du?«, fragte eine sich entfernende Stimme. Die Antwort ging unter im leisen Zuschlagen einer Tür.
    *
    Es war Nacht und das Krankenhaus eine eigene Welt aus Geräuschen und Lauten. Das leise Piepen und Surren der Geräte, das Atmen der Patienten und die verhaltenen Stimmen des Personals verwoben sich zu einem Teppich, der wie eine Glocke über dem Gebäude hing und es einschloss und abschirmte von der wirklichen Welt. Ulf starrte in die Dunkelheit, die lediglich erhellt wurde von dem rötlichen Flackern des Lichtschalters neben der Tür und den flimmernden medizinischen Geräten, und dachte an Caroline.
    Sie hatte ihn verlassen. All sein Bitten, all sein Flehen war nutzlos gewesen, sie war gegangen und hatte versucht, sich das Leben zu nehmen. War der Druck zu groß gewesen, den er aufgebaut hatte? Es war eine Frage, die er sich immer und immer wieder stellte.
    »Sie war noch nie gut darin, Schmerz auszuhalten«, hatte Björn ihn vor ein paar Stunden zu beruhigen versucht. »Es ist nicht deine Schuld.«
    Ulf war sich nicht so sicher.
    Sie war nicht tot. Sie lag bei ihm. Er konnte sie atmen hören. Er brauchte nur seine Hand auszustrecken, um sie zu berühren. Aber er hatte Angst vor dem Moment, in dem sie das erste Mal die Augen aufschlagen und begreifen würde, dass ihr Plan missglückt war. Ja, er hatte Angst. Verdammte Angst. Vor der Ablehnung in ihrem Blick. Dem Vorwurf. Der Kälte. Sie hatte ihn verlassen, und er hatte sie zurück gezwungen, festgehalten gegen ihren Willen. Und dennoch war es gut, dass sie hier war, hier bei ihm. Dass er sie sehen konnte. Hören. Sich vor Augen führen, was er hätte verlieren können.
    Es war Maybrits Vorschlag gewesen, sie zusammenzulegen, und um ihn durchzusetzen, war sie bis in die höchsten Etagen der Krankenhausleitung vorgedrungen. »Wenn du Caroline zurückhaben willst, musst du ihr einen Anreiz geben«, hatte sie ihn ermahnt. »Nur du kannst es.«
    Er lauschte Carolines ruhigen Atemzügen, beobachtete in dem dämmrigen Licht des Krankenzimmers das stetige Heben und Senken ihres Brustkorbs. Sie lebte, ja, das tat sie, aber sie lag im Koma, und niemand konnte ihm sagen, ob sie wieder aufwachen würde. »Diazepam ist ein gängiges Schlafmittel, das sehr hoch überdosiert

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