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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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wie damals, als er sich schon einmal aufgemacht hatte, Caroline zu finden. Sie war auf dem See. Irgendwo dort draußen. Er spürte es. Seit er von Ulfs Notruf erfahren hatte, hatte er genau das befürchtet, wofür er nun die bittere Bestätigung bekommen hatte.
    Stoisch setzte er einen Fuß vor den anderen, den Blick starr geradeaus gerichtet, bis er endlich Carolines Spur fand, dort, wo er sie vermutet hatte, und er kam nicht umhin, sich zu fragen, ob die Dinge einen anderen Lauf genommen hätten, wenn Ulf und Caroline einander nicht wieder begegnet wären. Mit Ulfs Ankunft hatte sich alles verändert, insbesondere Caroline. Was war nur geschehen? Björn musste an den Unfalltod von Carolines Eltern denken, daran, was seine Mutter ihm darüber erzählt hatte, was erst vor wenigen Tagen ans Licht gekommen war. Auch damals hatte Caroline versucht, sich das Leben zu nehmen. Was hatte sie diesmal dazu getrieben, welcher Schmerz war so unerträglich, dass ihr der Tod eine willkommene Alternative erschien? Der Verlust ihrer Tochter war entsetzlich, aber etwas sagte ihm, dass mehr dahintersteckte. Der eisige Wind, der über die weite freie Fläche des Sees blies, biss in sein Gesicht, kroch in seine Kleidung und ließ trotz der Anstrengung Hände und Füße schmerzlich kalt werden. Er durfte nicht daran denken, wie lange Caroline schon hier draußen war, wie wenig Hoffnung es gab, sie lebend zu finden.
    Er erreichte eine Stelle, an der die Abdrücke im Schnee darauf schließen ließen, dass Caroline gestürzt war. Sie hatte sich wieder aufgerafft und weitergeschleppt, doch ihre Schritte wurden kürzer, und sie war immer wieder stehen geblieben. Vermutlich hatte die Wirkung der Schlaftabletten eingesetzt. Es passte zu Caroline, sich einfach in den Schnee zu legen und einzuschlafen und sich auf diese Weise schmerzlos und sanft einem Tod zu überantworten, der bei Minus fünfundzwanzig Grad sehr schnell kam. Er durfte nicht daran denken. Er musste weitergehen und sie finden, um jeden Preis. Ulf verließ sich darauf. Himmel, sie hatte auf ihn geschossen! Håkan Bergström vermutete, dass Ulf und Caroline Streit gehabt hatten, aber Björn traute Caroline nicht zu, aus einem Streit heraus auf einen Menschen zu schießen. So impulsiv war sie nicht. Ulf dagegen schon, noch dazu bei seiner Neigung zum Jähzorn. Håkan Bergström verschwieg ihnen etwas. Es gab einen Grund, warum er hier war, und ganz allmählich teilte Björn Maybrits Auffassung, dass der Kriminalbeamte die Reise aus Stockholm nicht wegen Ulf auf sich genommen hatte, sondern wegen Caroline.
    Vor Björn tauchte eine der kleinen Inseln auf, die im See lagen. Die wenigen Bäume darauf bogen sich unter der Last des Schnees und warfen bizarre Schatten. Carolines Spuren führten genau darauf zu. Björn beschleunigte seine Schritte, plötzlich sicher, dass sie sich genau diesen Ort ausgesucht hatte, und tatsächlich, nur wenige Meter weiter fand er sie. Sie lag in einer kleinen Mulde, geschützt vor dem eisigen Wind. Sie hatte sich auf den Rücken gedreht, ihre Augen waren geschlossen, und in ihren Mundwinkeln meinte er ein kaum wahrnehmbares Lächeln zu sehen. Einen Atemzug lang blickte er auf sie hinunter und fragte sich, ob er ein Recht hatte, ihren Frieden zu stören, doch dann sank er neben ihr in den Schnee und vertrieb die Bilder von jenem Sommer, in dem er sie schon einmal ins Leben zurückgeholt hatte, ohne zu ahnen, welchen Kummer und letztlich auch welches Unglück er damit heraufbeschwor. Sie war so jung gewesen. Heute lagen die Dinge anders. Ulf würde es nicht verstehen, wenn er ohne sie zurückkam. Björn zog seine Handschuhe aus und tastete an Carolines Hals nach dem Puls. Erst spürte er nichts, dann jedoch fühlte er ein schwaches Klopfen. Tränen der Erleichterung traten ihm in die Augen. Er war versucht, sie aufzunehmen, an sich zu ziehen und mit seinem eigenen Körper zu wärmen, doch er wusste, dass genau das ihren Tod bedeuten konnte. Das kalte Blut aus ihren Extremitäten würde zum Herzen fließen und im schlimmsten Fall zu einem Herzstillstand führen. Deshalb bewegte er sie nicht, sondern zog hastig das Telefon aus der Tasche und wählte Håkans Nummer, der sofort am Apparat war. »Hast du sie gefunden? Lebt sie?«
    »Ja«, entgegnete Björn knapp, »aber nicht mehr lang, wenn sie nicht sofort medizinische Versorgung bekommt.«
    »Der Hubschrauber ist unterwegs.«
    »Wir befinden uns vom Haus aus gesehen etwa achthundert Meter in südwestlicher

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