Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)
den Wagen.
Maybrit betrachtete ihn von der Seite. »Wie kommt es, dass du, egal was du trägst, immer wie ein Holzfäller aussiehst und riechst?«
Björn ignorierte ihren gereizten Unterton. »Das mache ich nur für dich. Ich weiß, du magst das.«
Sie schüttelte den Kopf, aber er sah, wie ihre Mundwinkel zuckten.
Er schnallte sich an und lehnte sich zurück. Nach der unermüdlichen Arbeit während des Sturms und der Aufregung um Caroline und Ulf konnte er die plötzliche Ruhe und den Frieden kaum fassen. Er blickte auf die schneebedeckten Nadelbäume entlang der Straße, von denen der Wind weiße Fahnen herabtrieb, auf die dahinter liegenden Bergkuppen und blinzelte an der Sonne vorbei in den strahlend blauen Himmel. In einer Welt, die immer schneller, immer globaler wurde, einer Entwicklung, der sie sich selbst hier in der Abgeschiedenheit der Berge nicht völlig entziehen konnten, erschien es ihm bisweilen fast anachronistisch, sich an diesen kleinen, alltäglichen Dingen zu freuen. »Es ist so wunderschön hier«, sagte er. »Ich verstehe nicht, was die Menschen nach Stockholm oder Göteborg zieht.«
Maybrit lachte leise. »Das begreife ich, ehrlich gesagt, auch nicht. Aber in diesem Punkt repräsentieren wir beide nicht unbedingt den Durchschnitt.«
»Nein«, stimmte er ihr zu. »Das tun wir sicher nicht.« Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu. Die Anspannung war aus ihren Zügen gewichen und mit ihr die Falte zwischen ihren Brauen. Sie wurden beide fünfzig im kommenden Jahr, aber in ihrem hochgesteckten dunklen Haar fand sich keine graue Strähne, und er wusste, dass sie es nicht färbte. Er hatte ihr nie wirklich gesagt, was er für sie empfand. Warum eigentlich nicht? Seit Jahren lebten sie miteinander in stillem Einvernehmen, und auch wenn sie nicht zusammen wohnten, teilten sie doch mehr als nur hin und wieder das Bett. Viel mehr. Er dachte an Caroline und Ulf, an die Einsamkeit der beiden selbst im Zusammensein, weil ihnen der Mut fehlte, sich trotz ihrer verzehrenden Liebe aufeinander einzulassen, und er gab sich einen Ruck. »Maybrit, was hältst du davon, wenn wir heiraten würden?«
Sie starrte reglos geradeaus auf die Straße, lediglich ihre Nasenflügel bebten, und es dauerte lange, sehr lange, bis sie schließlich sagte: »Das meinst du nicht ernst.« Ihre Stimme zitterte kaum merklich.
»Es gibt Dinge, über die scherze ich nicht«, entgegnete er ruhig.
Erneut schwieg sie, während sie den Wagen über die festgefahrene Schneedecke Richtung Sveg lenkte.
»Was ist mit Caroline?«, wollte sie wissen.
Seit Caroline so unerwartet zurückgekehrt war, hatte er auf diese Frage gewartet. »Lilli bedeutet mir sehr viel. Ebenso viel wie Ulf.« Er räusperte sich. »Aber ich liebe sie nicht.« Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da war das anders gewesen, aber das lag sehr lange zurück. Er strich mit den Fingern über das dunkle Armaturenbrett. »Verstehst du das?«
Sie nickte zurückhaltend.
Es waren noch fünfunddreißig Kilometer bis Sveg. Erst als sie die ersten Häuser der kleinen Stadt passierten, brach Maybrit das Schweigen zwischen ihnen. »Warum fragst du mich ausgerechnet jetzt, Björn?«
»Ich weiß es nicht«, gestand er ehrlich. »Aber ich weiß, dass ich es längst hätte tun sollen.«
Er sah, wie sie schluckte.
»Vielleicht kann ich nicht vergessen, wie du mich angesehen hast, als ich aufgebrochen bin, um Lilli auf dem See zu suchen«, fügte er hinzu. »Vielleicht ist es diese verfahrene Situation zwischen Lilli und Ulf, die mich aufgeweckt hat. Wir dürfen nicht dieselben Fehler machen wie sie.«
Maybrit lenkte den Wagen auf den Parkplatz des Krankenhauses, stellte den Motor ab und sah endlich zu ihm. »Du weißt schon, dass ich darüber nachdenken muss.«
Er lächelte. »Alles andere hätte mich verstört.«
Ulf war allein im Krankenzimmer. Er war noch immer blass und durchscheinend, vom Blutverlust gezeichnet. Aber es schien Björn, als wäre das nicht das Einzige.
»Wo ist Caroline?«, fragte Maybrit, als sie ihren Cousin mit einem Kuss auf die Wange begrüßte.
Er setzte sich umständlich auf. »Sie ist wieder auf der Intensivstation«, entgegnete er. »Sie …« Er presste die Lippen aufeinander, schüttelte den Kopf und wich ihrem Blick aus.
»Schon gut«, beruhigte Maybrit ihn und drückte seinen Arm. »Aber sie ist wach, oder?«
Ulf nickte knapp.
»Ich gehe rüber und schaue, wie es ihr geht«, schlug Björn vor. »Dann könnt ihr beiden ungestört
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