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Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter

Titel: Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Strähnen gelöst.
    Ich schwinge auf meinen Krücken an ihr vorbei. Sie blickt nicht auf. Alle Plätze sind besetzt. Mich auf meinen Stöcken vor und zurück wiegend, starre ich einen der Schuljungen an. Er macht Platz. Ich setze mich.
    Die älteren Jungen haben die hinteren Plätze okkupiert und rufen aus dem Fenster ihren Kumpeln auf der Straße etwas zu. Der Anführer hat eine Zahnspange und Flaum am Kinn. Er beobachtet das Mädchen. Sie knibbelt an ihren Fingernägeln.
    Der Bus ist ein Stück gefahren und hält jetzt noch mal an, um weitere Fahrgäste aufzunehmen. Der Junge mit der Zahnspange kommt nach vorne. Er geht an mir vorbei, beugt sich über den Sitz und schnappt sich ihre Schultasche. Sie versucht, sie ihm zu entreißen, doch er kickt sie über den Boden. Sie bittet ihn freundlich. Er lacht. Sie erklärt ihm, er solle erwachsen werden.
    Ich stelle mich hinter ihn. Es sieht aus, als würde ich ihm einen Klaps in den Nacken geben, eine freundliche - väterliche - Geste. Aber meine Finger haben sich von beiden Seiten um seine Wirbelsäule geschlossen. Seine Augen quellen hervor, und er balanciert mit den dicken Sohlen seiner Schuhe auf den Zehenspitzen.

    Seine Kumpel kommen auf mich zu. Einer sagt, ich solle ihn loslassen. Ich starre ihn an. Die Jungen verstummen. Der Busfahrer, ein schlammfarbener Sikh mit einem Turban, blickt in den Rückspiegel.
    »Gibt es ein Problem?«, fragt er.
    »Ich glaube, dem Jungen ist schlecht«, sage ich. »Er braucht frische Luft.«
    »Soll ich anhalten?«
    »Er nimmt einen späteren Bus.« Ich sehe den Jungen an. »Nicht wahr?« Ich bewege meine Hand. Sein Kopf nickt.
    Der Busfahrer hält an, und ich führe den Jungen zur hinteren Tür.
    »Wo ist seine Tasche?«
    Irgendjemand reicht sie nach vorne.
    Ich lasse ihn los. Er fällt taumelnd auf die Bank der Bushaltestelle. Die Tür schließt sich zischend. Wir fahren wieder los.
    Das Mädchen sieht mich unsicher an. Ihre Schultasche liegt jetzt unter ihren verschränkten Armen auf ihrem Schoß.
    Ich setze mich auf den Platz vor ihr und lehne meine Krücken an den Haltegriff.
    »Weißt du, ob dieser Bus über die Bradford Road fährt?«, frage ich.
    Sie schüttelt den Kopf:
    Ich öffne eine Flasche Wasser. »Ich kann diese Karten an den Bushaltestellen nie lesen.«
    Sie antwortet immer noch nicht.
    »Ist es nicht erstaunlich, dass wir Wasser in Plastikflaschen kaufen? Als ich klein war, hätte man auf der Suche nach Wasser in Flaschen verdursten können. Mein alter Herr sagt, es ist eine Schande. Bald müssen wir auch noch für frische Luft bezahlen.«
    Keine Reaktion.
    »Vermutlich sollst du dich nicht von Fremden ansprechen lassen.«
    »Nein.«

    »Das ist okay. Das ist ein guter Rat. Kalt heute, findest du nicht auch? Vor allem für einen Freitag.«
    Sie schnappt nach dem Köder. »Heute ist nicht Freitag. Heute ist Mittwoch.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja.«
    Ich trinke noch einen Schluck Wasser.
    »Welchen Unterschied macht es, welchen Tag wir haben?«, fragt sie.
    »Nun, weißt du, jeder Wochentag hat seinen eigenen Charakter. Samstage sind geschäftig. Sonntage sind langsam. Freitage sollen voller Versprechen sein. Montage … na ja, jeder hasst Montage.«
    Sie lächelt und wendet den Blick ab. Einen kurzen Moment sind wir Verschworene. Ich betrete die Welt ihrer Gedanken, sie die meine.
    »Der Junge mit der Zahnspange - war das ein Freund von dir?«
    »Nein.«
    »Er macht dir Probleme?«
    »Ja, schon irgendwie.«
    »Du versuchst, ihm aus dem Weg zu gehen, aber er taucht immer wieder auf?«
    »Wir nehmen denselben Bus.«
    Sie kapiert, was ich andeuten will.
    »Hast du Brüder?«, frage ich sie.
    »Nein.«
    »Weißt du, wie man jemandem einen Kniestoß versetzt? Das solltest du tun, ramm ihm dein Knie du-weißt-schon-wohin.«
    Sie wird rot. Süß.
    »Möchtest du einen Witz hören?«
    Sie antwortet nicht.
    »Eine Frau steigt mit ihrem Baby in einen Bus, und der Fahrer sagt: ›Das ist das hässlichste Baby, das ich je gesehen habe.‹ Die Frau ist außer sich, aber sie bezahlt den Fahrschein und
setzt sich. Ein anderer Passagier sagt: ›Das dürfen Sie ihm nicht durchgehen lassen. Gehen Sie zurück und sagen Sie ihm die Meinung. Ich halt so lange den Affen für Sie.‹«
    Diesmal ernte ich ein echtes Lachen. Es ist das Süßeste, was man je gehört hat. Sie ist ein Pfirsich, ein süßer, süßer Pfirsich.
    »Wie heißt du?«
    Sie antwortet nicht.
    »Richtig, du sollst ja nicht mit Fremden reden, hatte ich ganz vergessen.

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