Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
Dann muss ich dich wohl einfach Schneeflöckchen nennen.«
Sie starrt aus dem Fenster.
»Das ist meine Haltestellte«, sage ich und ziehe mich hoch. Eine Krücke fällt in den Gang. Sie bückt sich und hebt sie für mich auf.
»Was ist mit Ihrem Bein passiert?«
»Nichts.«
»Warum brauchen Sie dann Krücken?«
»Damit ich im Bus einen Sitzplatz kriege.«
Sie lacht wieder.
»War nett, mit dir zu plaudern, Schneeflöckchen.«
47
Maureen Bracken ist an Schläuche angeschlossen, die Flüssigkeiten zuführen oder ableiten. Vor zwei Tagen wurde sie angeschossen, gestern ist sie aufgewacht, blass, erleichtert und nur mit vagen Erinnerungen daran, was geschehen ist. Alle paar Stunden gibt die Schwester ihr Morphium, und sie döst wieder ein.
Sie steht im Bristol Royal Infirmary unter Polizeischutz. Das Gebäude ist ein Wahrzeichen in einer Stadt mit herzlich wenig Sehenswürdigkeiten. In der Halle haben ehrenamtliche Helferinnen mit blau-weißen Schärpen einen Empfangstresen aufgebaut. Sie sehen aus wie greise Schönheitsköniginnen, die ihren Wettbewerb um vierzig Jahre verpasst haben.
Ich erwähne Maureen Brackens Namen, und ihr Lächeln erstirbt. Ein Polizist wird von oben gerufen. Ruiz und ich warten in der Halle und blättern an dem kleinen Kiosk in Zeitungen.
Aus einem sich öffnenden Fahrstuhl dröhnt Brunos Stimme.
»Gott sei Dank, ein freundliches Gesicht. Bist du gekommen, um das alte Mädchen ein bisschen aufzuheitern?«
»Wie geht es ihr?«
»Sie sieht schon besser aus. Ich hatte ja keine Ahnung, dass eine Kugel so einen Schlamassel anrichten kann. Schrecklich. Aber die wichtigen Körperteile sind intakt, das ist die Hauptsache.«
Er wirkt ehrlich erleichtert. Die nächsten paar Minuten tauschen wir Klischees darüber aus, wohin es mit der Welt gekommen ist.
»Ich sause kurz los, um was Anständiges zu essen zu besorgen«, sagt er. »Ich kann schließlich nicht zulassen, dass sie diesen Krankenhausfraß isst. Voller Metaerreger.«
»Es ist nicht so übel, wie du denkst«, sage ich.
»Nein, es ist noch schlimmer«, sagt Ruiz.
»Meinst du, die haben hier was dagegen?«, fragt Bruno.
»Ganz bestimmt nicht.«
Mit einem Winken verschwindet er durch die automatische Tür.
Aus dem Aufzug tritt in diesem Moment ein Detective. Er sieht italienisch aus und hat einen Bürstenhaarschnitt und eine Pistole im tief hängenden Halfter unter seinem Jackett. Ich erkenne ihn von den Einsatzbesprechungen in der Trinity Road wieder.
Er begleitet uns nach oben, wo ein zweiter Polizist den Flur zu Maureen Brackens Zimmer in einem sicheren Flügel des Krankenhauses bewacht. Die Detectives tasten Besucher und medizinisches Personal mit Metalldetektoren ab.
Als ich die Tür öffne, blickt Maureen von einer Zeitschrift auf und lächelt nervös. Ihre Schulter ist bandagiert, und sie trägt den Arm in einer Schlinge. Schläuche verschwinden unter dem Verband und ihrer Bettdecke.
Sie hat sich geschminkt - für Bruno, nehme ich an. Und der normalerweise gesichtslose Raum ist mit dutzenden von Karten, Bildern und Zeichnungen geschmückt. Über ihrem Bett hängt ein Spruchband mit goldenen und silbernen Fransen. Darauf steht Gute Besserung . Hunderte von Schülerinnen haben unterschrieben.
»Sie sind eine sehr beliebte Lehrerin«, sage ich.
»Sie wollen mich alle besuchen kommen«, erwidert sie lachend. »Natürlich nur während der Schulzeit, damit sie eine Entschuldigung haben, den Unterricht zu schwänzen.«
»Wie fühlen Sie sich?«
»Besser.« Sie richtet sich ein wenig auf, und ich schiebe das Kissen in ihrem Rücken zurecht. Ruiz ist im Flur geblieben und erzählt sich mit den Detectives unanständige Witze über Krankenschwestern.
»Sie haben Bruno knapp verpasst«, sagt Maureen.
»Ich habe ihn unten getroffen.«
»Er ist losgegangen, um mir bei Mario’s ein Mittagessen zu besorgen. Ich hatte auf einmal Appetit auf Pasta und Salat mit Rucola und Parmesan. Es ist, als wäre ich wieder schwanger, und Bruno verwöhnt mich, aber verraten Sie ihm nicht, dass ich das gesagt habe.«
»Bestimmt nicht.«
Sie blickt auf ihre Hände. »Tut mir leid, dass ich versucht habe, Sie zu erschießen.«
»Das ist okay.«
Ihre Stimme bricht kurz. »Es war schrecklich … was er über Jackson gesagt hat. Ich habe ihm wirklich geglaubt, wissen Sie. Ich habe wirklich geglaubt, er würde es tun.«
Maureen erzählt, was geschehen ist. Jede Mutter und jeder Vater kennt das Gefühl, in einem Supermarkt, auf einem
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