Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
vorgeschlagen hat es Jock, mein bester Freund, ein Neurologe. Er hat mir Fachliteratur geschickt, in der der positive Effekt von Koordinationstraining für Parkinson-Patienten beschrieben wurde. Yoga oder Tanzen. Am besten beides.
Ich habe es Julianne erzählt. Sie fand es romantisch. Ich habe es als Herausforderung gesehen.
Ich wollte Mr. Parkinson den Fehdehandschuh hinwerfen; ein Duell auf Leben und Tod mit Pirouetten und wirbelnden Füßen. Möge der Bessere gewinnen.
Emma und Charlie tanzen wieder. Julianne schließt sich ihnen an und findet mühelos den Rhythmus. Sie streckt ihre Hand aus. Ich schüttele den Kopf.
»Komm schon, Dad«, sagt Charlie.
Emma wackelt mit dem Hintern. Das ist ihre tänzerische Paradedisziplin. Ich habe keine Paradedisziplin.
Wir tanzen und singen, bis wir lachend auf dem Sofa zusammenbrechen. Es ist lange her, dass Julianne und ich so zusammen gelacht haben. Mein linker Arm zittert, und Emma hält ihn fest. Es ist ein Spiel, das sie gerne spielt. Sie packt ihn mit beiden Händen und lässt ihn dann los, um zu sehen, ob er noch zittert, bevor sie ihn erneut packt.
Später am Abend, als die Mädchen schlafen und unser horizontaler Walzer vorüber ist, kuschele ich mich an Julianne und werde melancholisch.
»Hat Charlie dir erzählt, dass sie unser Gespenst gesehen hat?«
»Nein. Wo?«
»Auf der Treppe.«
»Ich wünschte, Mrs. Nutall würde aufhören, ihr mit diesen Geschichten zu kommen.«
»Mrs. Nutall ist eine verrückte alte Schachtel.«
»Ist das eine professionelle Diagnose?«
»Absolut«, sage ich.
Julianne starrt ins Leere, ihre Gedanken sind anderswo … in Rom vielleicht oder Moskau.
»Du weißt ja, dass ich den Mädchen ständig erlaube, Eis zu essen, wenn du nicht da bist«, erzähle ich ihr.
»Weil du ihre Liebe kaufen willst«, erwidert sie.
»Und ob. Sie ist käuflich, und ich will sie.«
Sie lacht.
»Bist du glücklich?«, frage ich.
Sie sieht mich direkt an. »Das ist eine merkwürdige Frage.«
»Ich muss immer an die Frau auf der Brücke denken. Irgendwas hat sie unglücklich gemacht.«
»Und du denkst, ich bin genauso?«
»Es war schön, dich heute lachen zu hören.«
»Es ist schön, zu Hause zu sein.«
»Der schönste Ort von allen.«
6
Montagmorgen. Grau. Trocken. Die Agentur schickt mir drei Kandidatinnen zum Vorstellungsgespräch. Ich glaube, man nennt sie nicht mehr Kindermädchen. Es sind Erzieherinnen oder Kinderpflegerinnen.
Julianne ist auf dem Weg nach Moskau, Charlie im Bus zur Schule, und Emma spielt im Esszimmer mit Puppenkleidern und versucht, Stinky, unserer neurotischen Katze, einen Hut aufzusetzen. Stinkys voller Name lautet Stinkiges Klopapier. Das hat man davon, wenn man einer Dreijährigen das Recht auf Namensgebung für die Haustiere einräumt.
Das erste Vorstellungsgespräch fängt gleich schlecht an. Sie heißt Jackie und ist nervös. Sie kaut an den Nägeln und nestelt dauernd an ihren Haaren herum, als müsse sie sich vergewissern, dass sie noch da sind.
Juliannes Anweisungen waren klar und deutlich. Ich soll darauf achten, dass das Kindermädchen keine Drogen nimmt, nicht trinkt und nicht zu schnell fährt. Wie genau ich das in Erfahrung bringen soll, ist mir schleierhaft.
»Und jetzt soll ich herausfinden, ob Sie Ihre Oma hauen«, erkläre ich Jackie.
Sie sieht mich verwirrt an. »Meine Oma ist tot.«
»Aber Sie haben sie nicht geschlagen, oder?«
»Nein.«
»Gut.«
Ich streiche sie von der Liste.
Die nächste Kandidatin ist vierundzwanzig und aus Newcastle, mit einem spitzen Gesicht, braunen Augen und dunklen Haaren, die so straff nach hinten gebunden sind, dass sie ihre
Augenbrauen hoch ziehen. Sie scheint das Haus zu taxieren, als wollte sie es später mit ihrem Einbrecher-Freund ausrauben.
»Was für einen Wagen werde ich fahren?«, fragt sie.
»Einen Astra.«
Sie wirkt wenig beeindruckt. »Ich kann keinen Schaltwagen fahren. Und ich denke, das sollte man von mir auch nicht erwarten. Habe ich einen Fernseher in meinem Zimmer?«
»Das lässt sich bestimmt einrichten.«
»Wie groß?«
»Ich weiß nicht genau.«
Will sie damit fernsehen oder das Gerät verscherbeln?, frage ich mich. Ich hake sie ab. Das war der zweite Streich.
Um elf Uhr unterhalte ich mich mit einer hübschen Jamaikanerin, die geflochtene Zöpfe untereinandergewunden und mit einer Schildpattklammer am Hinterkopf festgesteckt. Sie heißt Mani, hat gute Referenzen und eine wunderbar tiefe Stimme. Ich mag sie. Sie hat ein nettes
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