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Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter

Titel: Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Lächeln.
    Mitten in unserem Gespräch ertönt plötzlich ein Schrei aus dem Esszimmer. Emma hat sich wehgetan. Ich versuche aufzustehen, aber mein linkes Bein versagt. Man nennt es Bradykinese, ein Symptom der Parkinson-Krankheit, und es hat zur Folge, dass Mani zuerst bei Emma ist. Sie hat sich die Finger unter dem Deckel der Spielzeugtruhe eingeklemmt. Als Emma die dunkelhäutige Fremde sieht, heult sie noch lauter.
    »Sie war noch nicht oft auf dem Arm von Schwarzen«, versuche ich, die Situation zu retten, was alles noch schlimmer macht. »Es ist nicht Ihre Hautfarbe. Wir haben in London viele schwarze Freunde. Dutzende.«
    Mein Gott. Will ich etwa andeuten, dass meine dreijährige Tochter eine Rassistin ist?
    Emma hat aufgehört zu weinen. »Es ist meine Schuld. Ich habe sie zu hastig hochgehoben«, sagt Mani und sieht mich traurig an.
    »Sie kennt Sie noch nicht«, erkläre ich.
    »Ja.«

    Mani packt ihre Unterlagen ein.
    »Ich rufe die Agentur an«, sage ich. »Die geben Ihnen Bescheid.«
    Aber wir wissen beide, was Sache ist. Sie wird einen anderen Job annehmen. Es ist schade. Ein Missverständnis.
    Nachdem Mani gegangen ist, mache ich Emma ein Butterbrot und lege sie zum Mittagsschlaf hin. Ich habe Pflichten zu erledigen - Waschen und Bügeln. Ich weiß, dass ich das nicht zugeben sollte, aber zu Hause zu sein ist langweilig. Emma ist wundervoll und entzückend, und ich liebe sie grenzenlos, aber irgendwann wird es ermüdend, mit Handpuppen zu spielen, ihr zuzusehen, wie sie auf einem Bein steht, oder zuzuhören, wie sie von der Spitze des Klettergerüsts verkündet, dass sie die Königin des Schlosses ist, während ich wieder mal nur ein dreckiger Halunke bin.
    Auf kleine Kinder aufzupassen ist der wichtigste Job der Welt. Ganz bestimmt. Aber die traurige, nie ausgesprochene Wahrheit ist auch, dass es langweilig ist. Die Typen, die in Raketensilos sitzen und darauf warten, dass das Unsagbare geschieht, haben auch einen wichtigen Job, aber niemand kann mir erzählen, dass sie sich nicht zu Tode langweilen und an den Pentagon-Computern endlos Solitär und Schiffeversenken spielen.
    Es klingelt. Vor der Tür steht ein Teenager mit rotbraunen Haaren in Hüftjeans, einem T-Shirt und einer karierten Jacke. An ihren Ohrläppchen glitzern Stecker wie Quecksilbertropfen.
    Sie drückt eine Umhängetasche an die Brust und steht ein wenig vorgebeugt. Der Oktoberwind wirbelt welke Blätter um ihre Füße.
    »Ich hatte niemanden mehr erwartet«, erkläre ich.
    Sie legt stirnrunzelnd den Kopf zur Seite.
    »Sind Sie Professor O’Loughlin?«
    »Ja.«
    »Ich bin Darcy Wheeler.«

    »Kommen Sie rein, Darcy. Wir müssen leise sein. Emma schläft.«
    Sie folgt mir durch den Flur in die Küche. »Sie sehen sehr jung aus. Ich hatte jemand Älteren erwartet.«
    Wieder sieht sie mich fragend an. Ihre Augen sind blutunterlaufen und vom Wind gerötet.
    »Wie lange arbeiten Sie schon als Kinderbetreuerin?«
    »Verzeihung?«
    »Wie lange betreuen Sie schon Kinder?«
    Nun wirkt sie beunruhigt. »Ich gehe noch zur Schule.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Sie drückt ihre Tasche noch ein wenig fester an sich, als wollte sie sich wappnen. »Sie haben mit meiner Mutter gesprochen. Sie waren da, als sie gestürzt ist.«
    Ihre Worte erschüttern die Stille, als hätte jemand ein Tablett mit Gläsern fallen lassen. Mir fällt die Ähnlichkeit auf, die Form ihres Gesichts, die dunklen Augenbrauen. Die Frau auf der Brücke.
    »Wie hast du mich gefunden?«
    »Ich habe den Polizeibericht gelesen.«
    »Wie hast du hergefunden?«
    »Ich habe den Bus genommen.«
    Bei ihr klingt es ganz selbstverständlich, aber so etwas sollte nicht passieren. Trauernde Töchter haben nicht einfach vor meiner Tür zu stehen. Die Polizei hätte Darcys Fragen beantworten und sich um ihre therapeutische Betreuung kümmern müssen. Man hätte einen Verwandten auftreiben sollen, der sich um sie kümmert.
    »Die Polizei sagt, es wäre Selbstmord gewesen, aber das ist unmöglich. Mum würde nie … sie könnte es nicht, nicht so.«
    Ihre Stimme zittert vor Verzweiflung.
    »Wie hieß deine Mutter?«
    »Christine.«
    »Möchtest du eine Tasse Tee, Darcy?«

    Sie nickt. Ich setze den Kessel auf und hole zwei Tassen, um mir Gelegenheit zu geben, meine Antwort zurechtzulegen.
    »Wo warst du?«
    »Ich bin in einem Internat.«
    »Weiß die Schule, wo du bist?«
    Darcy antwortet nicht. Sie krümmt die Schultern und sinkt noch weiter in sich zusammen. Ich setze mich ihr gegenüber

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