Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
Kino.«
»Abwarten.«
Wir nehmen die A363 durch Bradford-on-Avon und streifen die Kuppe von Bathampton Down. Vor uns schmiegt sich Bath Spa gemütlich ins Tal. Eine Reklametafel verkündet: Ihr Traum vom Ruhestand liegt direkt vor Ihnen . Ruiz findet, dass
das Bath ziemlich gut auf den Punkt bringt, diesen schwefligen Geruch von Alter und Geld.
Eine Frage geht mir nicht aus dem Kopf: Wie konnte eine Tote per E-Mail ein Wiedersehen mit ihren Freundinnen organisieren? Irgendjemand hat die Nachrichten verschickt. Wer immer es war, muss Zugriff auf Helen Chambers’ Computer oder ihre Log-in-Daten gehabt haben. Oder er hat ihre Identität gestohlen und ein neues E-Mail-Konto eröffnet. Wenn ja, warum? Es ergibt keinen Sinn. Welches Interesse könnte jemand daran haben, vier alte Freundinnen zusammenzubringen?
Es könnte der Mörder gewesen sein. Vielleicht hat er sie zusammengeführt und ist ihnen dann nach Hause gefolgt. Das würde jedenfalls erklären, wie er seine Opfer ins Visier genommen, ihren Wohnort, Arbeitsplatz und Lebensrhythmus ausgekundschaftet hat. Aber es erklärt immer noch nicht, was Helen Chambers damit zu tun hat.
»Wir müssen mit Maureen Bracken reden«, sage ich. »Sie ist die Einzige, die zu dem Wiedersehen gegangen ist und noch lebt.«
Ruiz sagt nichts, aber ich weiß, dass er das Gleiche denkt wie ich. Irgendjemand muss sie warnen.
Die Oldfield School liegt inmitten von Bäumen und schlammigen Sportplätzen mit Blick auf das Avon-Tal. Ein Schild auf dem Parkplatz fordert Besucher auf, sich im Büro zu melden.
Vor dem Büro sitzt eine einsame Schülerin, die die Beine unter ihrem Plastikstuhl baumeln lässt. Sie trägt einen blauen Rock, eine weiße Bluse und einen dunkelblauen Pullover mit Schwanmotiv. Sie blickt kurz auf und wartet dann schweigend weiter.
Hinter einem Schiebefenster taucht eine Schulsekretärin auf. An der Wand hinter ihr hängt ein großer Stundenplan mit verschiedenfarbigen Blöcken, ein Meisterwerk der Logistik, das 850 Schülerinnen, 34 Klassenzimmer und 15 Fächer koordiniert.
Den Betrieb einer Schule zu organisieren ist, als würde man als Fluglotse ohne Radar arbeiten.
Die Sekretärin streicht mit dem Finger über den Stundenplan und tippt zwei Mal auf das Brett. »Mrs. Bracken unterrichtet Englisch im Anbau, Raum 2b.« Sie sieht auf die Uhr. »Es ist fast Mittag. Sie können im Flur oder im Lehrerzimmer auf sie warten. Die Treppe hoch und dann rechts. Jacquie wird es Ihnen zeigen.«
Die Schülerin hebt den Kopf und wirkt erleichtert. Was immer sie angestellt hat, der Urteilsspruch ist aufgeschoben.
»Hier entlang«, sagt sie, stößt die Tür auf, steigt flink die Stufen hinauf und wartet auf dem Absatz auf uns. An einem Schwarzen Brett wird für einen Design-Wettbewerb, eine Foto-AG und das Anti-Aggressions-Prinzip der Schule geworben.
»Und was hast du angestellt?«, fragt Ruiz.
Jacquie sieht ihn einfältig an. »Ich bin aus dem Unterricht geflogen.«
»Weshalb?«
»Sie sind doch nicht von der Schulbehörde, oder?«
»Sehe ich so aus?«
»Nein«, gibt sie zu. »Ich habe meiner Theaterlehrerin rasende Mittelmäßigkeit vorgeworfen.«
Ruiz lacht. »Also nicht bloß irgendeine Mittelmäßigkeit, was?«
»Nein.«
Es klingelt. Schüler strömen um uns herum auf die Flure. Warnende »Nicht rennen!«-Rufe gehen in lautem Lachen unter.
Jacquie hat das Klassenzimmer erreicht und klopft an die Tür. »Besuch für Sie, Miss.«
»Danke.«
Maureen Bracken trägt ein knielanges dunkelgrünes Kleid mit einem braunen Ledergürtel und Pumps, die ihre kräftigen Waden betonen. Ihr Haar ist zurückgesteckt, und sie trägt nur einen Hauch von Lidschatten und Lippenstift.
»Was ist los?«, fragt sie sofort. Ihre Finger sind voller Filzstiftspuren.
»Möglicherweise gar nichts«, versuche ich sie zu beruhigen.
Ruiz hat ein Spielzeug von ihrem Pult genommen - ein Plüschtier am Ende eines Stifts.
»Konfisziert«, erklärt sie. »Sie sollten mal meine Sammlung sehen.«
Sie ordnet einen Stapel Aufsätze und verstaut sie in einer Mappe. Ich sehe mich um. »Sie unterrichten an Ihrer alten Schule?«
»Ja, wer hätte das gedacht?«, erwidert sie. »Als Schülerin war ich ein echter Wildfang. Allerdings nicht so schlimm wie Sylvia. Deshalb haben sie ständig versucht, uns zu trennen.«
Sie ist nervös, deshalb möchte sie reden. Ich lasse sie, weil ich weiß, dass ihr irgendwann der Dampf ausgehen wird.
»Mein Berufsberater hat mir erklärt, dass ich als
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