Deine Juliet
London. Er versicherte mir, dass es überhaupt keine Mühe mache, die Blumen vorbeizubringen – es gebe nicht viel, das er nicht für Sie tun würde, weil Sie Mrs. Dilwyn während des Krieges mal ein Stück Seife geschenkt haben. Er sagt, sie muss immer noch jedes Mal weinen, wenn sie daran denkt. Er ist so ein netter Mensch – ich bedaure, dass er keine Zeit hatte, auf einen Kaffee zu bleiben.
Dank Ihrer freundlichen Fürsprache habe ich reizende, lange Briefe von Mrs. Maugery und Isola Pribby erhalten. Ich habe nicht gewusst, dass die Deutschen
überhaupt keine Nachrichten
, nicht einmal Briefe, nach Guernsey hereinließen. Das hat mich sehr überrascht. Es hätte keine Überraschung sein sollen, schließlich wusste ich, dass die Kanalinseln besetzt waren, aber ich habe nicht ein einziges Mal darüber nachgedacht, was das im Einzelnen bedeutete. Das kann man nur mutwillige Unwissenheit nennen. Ich werde mich jetzt schnurstracks in die Londoner Bibliothek begeben, um diese Wissenslücke zu schließen. Die Bibliothek hat furchtbare Bombenschäden erlitten, aber man kann die Fußböden jetzt wieder gefahrlos betreten. Alle Bücher, die gerettet werden konnten, stehen wieder in den Regalen, und ich weiß, dass man dort alle
Times -
Ausgaben gesammelt hat, von 1900 bis – gestern. Ich werde mich über die Besatzungszeit kundig machen.
Ich hoffe, ich finde auch Reiseführer oder Geschichtsbücher über die Kanalinseln. Ist es wirklich wahr, dass man an klaren Tagen die Autos auf den französischen Küstenstraßen sehenkann? So steht es in meinem Lexikon, aber ich habe es für vier Shilling aus zweiter Hand gekauft und möchte mich nicht darauf verlassen. Dort stand auch, Guernsey «ist gut elf Kilometer lang und knapp fünf Kilometer breit und hat 42 000 Einwohner». Ausgesprochen informativ, aber ich wüsste gerne mehr.
Isola schrieb mir, dass Ihre Freundin Elizabeth McKenna in ein Gefangenenlager auf dem Festland geschickt wurde und noch nicht zurück ist. Das hat mir die Sprache verschlagen. Seit Ihrem Brief über das Schweinebraten-Essen war es immer selbstverständlich für mich, dass sie mitten unter Ihnen ist. Ohne dass es mir bewusst war, hatte ich damit gerechnet, eines Tages auch von ihr einen Brief zu erhalten. Es tut mir sehr leid. Ich hoffe, sie kommt bald zurück.
Danke noch einmal für die Blumen, Dawsey. Das war ganz reizend von Ihnen.
Mit freundschaftlichen Grüßen,
Juliet
PS: Sie können diese Frage gerne für rhetorisch halten, aber warum hat Mrs. Dilwyn über ein Stück Seife geweint?
Juliet an Sidney
21. Februar 1946
Mein lieber Sidney,
ich habe seit einer Ewigkeit nichts von Dir gehört. Hat Dein eisiges Schweigen mit Mark Reynolds zu tun?
Ich habe eine Idee für ein neues Buch. Es ist ein Roman übereine schöne und empfindsame Schriftstellerin, deren Geist von ihrem anmaßenden Verleger geknebelt wird. Na, wie gefällt Dir das?
Liebste Grüße,
immer Deine
Juliet
Juliet an Sidney
23. Februar 1946
Lieber Sidney,
ich habe bloß Spaß gemacht.
Liebste Grüße,
Juliet
Juliet an Sidney
25. Februar 1946
Sidney?
Gruß,
Juliet
Juliet an Sidney
26. Februar 1946
Lieber Sidney,
dachtest Du, ich würde nicht merken, dass Du verreist bist? Nachdem Du auf die letzten drei Briefe nicht geantwortet hast, bin ich selbst zum St. James Place gegangen. Dort traf ich auf die unerbittliche Miss Tilley, die sagte, Du seist nicht in der Stadt. Sehr aufschlussreich. Nach einigem Bohren bekam ich heraus, dass Du in Australien bist! Miss Tilley hat sich mein Gezeter gelassen angehört. Sie wollte mir Deinen genauen Aufenthaltsort nicht verraten – nur, dass Du auf der Suche nach neuen Autoren für Stephens & Stark das Hinterland durchforstest. Post werde sie nach eigenem Ermessen an Dich weiterleiten.
Deine Miss Tilley führt mich nicht hinters Licht. Du auch nicht – ich weiß genau, wo Du bist und was Du da tust. Du bist nach Australien geflogen, um Piers Langley zu finden, und hältst seine Hand, bis er wieder nüchtern ist. Zumindest hoffe ich, dass Du das tust. Er ist so ein lieber Freund – und so ein brillanter Schriftsteller. Ich möchte, dass er wieder wohlauf ist und Gedichte schreibt. Ich würde hinzufügen: Und er soll Burma und die Japaner vergessen, aber ich weiß, dass das nicht möglich ist.
Du hättest es mir ruhig sagen können. Ich kann diskret sein, wenn ich mir wirklich Mühe gebe. (Du hast mir den Schnitzer mit
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