Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deine Juliet

Deine Juliet

Titel: Deine Juliet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Mary Ann / Barrows Shaffer
Vom Netzwerk:
ungebrochenem Herzen, verschlang Amelias Himbeerkuchen. Letzte Nacht schlief ich selige zehn Stunden den Schlaf der Gerechten und fühlte mich morgens wieder wie zweiunddreißig und nicht wie hundert.
    Kit und ich wollen heute Nachmittag am Strand Achate sammeln gehen. Was für ein wunder-, wunderschöner Tag.
     
    Liebste Grüße,
    Juliet
     
    PS: Nichts von alledem steht in irgendeinem Bezug zu Dawsey. Der Name Charles Lamb ist mir rein zufällig entschlüpft. Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass Dawsey sich bei den Klippen nur zu mir gedreht hat, weil er wissen wollte, ob er sich auch noch meinen Schirm ausleihen dürfte.

Juliet an Sidney
    27.   Juli 1946
    Lieber Sidney,
    ich wusste, dass Elizabeth verhaftet wurde, weil sie einen Zwangsarbeiter der Organisation Todt bei sich beherbergt hat. Aber ich wusste nicht, dass sie einen Komplizen hatte. Erst vor ein paar Tagen erwähnte Eben zufällig Peter Sawyer, der «zusammen mit Elizabeth verhaftet» worden sei. «WAS?», kreischte ich, und Eben meinte, Peter solle mir selbst davon erzählen.
    Peter lebt mittlerweile in einem Pflegeheim bei Le Grand Havre in Vale. Ich rief dort an, und er sagte, er wolle mich gern empfangen – besonders, falls ich ein Schlückchen Brandy bei mir hätte.
    «Immer», sagte ich.
    «Prächtig. Kommen Sie morgen», erwiderte er und legte auf.
    Peter sitzt im Rollstuhl, aber Du solltest ihn fahren sehen! Er flitzt damit herum wie ein Irrer, schneidet Kurven und kann auf dem Absatz kehrtmachen. Wir gingen hinaus und setzten uns in eine Laube, wo er genüsslich meinen Brandy pichelte und mir Bericht erstattete. Dieses eine Mal habe ich mir Notizen gemacht, Sidney – ich wollte mir unter keinen Umständen auch nur ein Wort entgehen lassen.
    Peter saß schon im Rollstuhl, lebte aber noch in seinem Haus, als er auf den jungen Mann stieß, der für die Organisation Todt arbeitete: Lud Jaruzki, ein sechzehnjähriger Pole.
    Es war den Zwangsarbeitern gestattet, nach Einbruch der Dunkelheit das Lager zu verlassen, um Lebensmittel zu schnorren – solange sie zurückkamen. Morgens mussten sie zur Arbeit antreten – wenn nicht, wurde Jagd auf sie gemacht. Dieser «Hafturlaub» war eine Methode der Deutschen, die Arbeiter nicht verhungern zu lassen, ohne dabei allzu viel von ihren eigenen Nahrungsmitteln an sie zu vergeuden.
    Fast alle Inselbewohner hatten Gemüsegärten, manche auch Hühner- und Kaninchenställe – ein gefundenes Fressen für alle, die auf Futtersuche waren. Denn das waren die Zwangsarbeiter: auf Futtersuche. Die meisten Inselbewohner hielten, bewaffnet mit Stöcken oder Pfählen, nachts bei ihren Gärten Wache, um ihr Gemüse zu verteidigen.
    Auch Peter verbrachte die Nächte außer Haus, im Schatten seines Hühnerstalls. Ohne Holzpflock, dafür mit einer gusseisernen Pfanne und einem Blechlöffel, um notfalls Krach schlagen und die Nachbarn herbeirufen zu können.
    Eines Nachts hörte er – und sah dann auch – Lud durch eine Lücke in seiner Hecke kriechen. Peter wartete ab; der Junge versuchte hochzukommen, fiel um, versuchte es erneut, schaffte es aber nicht – und blieb einfach liegen. Peter fuhr mit seinem Rollstuhl näher heran und starrte das Häufchen Elend an.
    «Er war ein Kind, Juliet, ein Kind – er lag da, auf dem Rücken im Dreck, dürr, mein Gott, klapperdürr, abgezehrt, schmutzig und zerlumpt. Er war übersät mit Ungeziefer, die Viecher krochen ihm aus den Haaren, über das Gesicht, über die Lider. Das arme Kerlchen merkte nicht mal was davon – zuckte nicht mit der Wimper, nichts, gar nichts. Wollte sich bloß eine einzige elende Kartoffel stibitzen – und brachte nicht mal die Kraft auf, sie auszubuddeln. Wie kann man Jungen wie ihm so was antun! Ich sag’s Ihnen, in dem Moment hasste ich die Deutschen aus tiefstem Herzen. Ich konnte mich nicht bücken, um nachzusehen, ob er noch atmete, aber ich streckte die Füße vom Stützbrett weg und stupste und schubste ihn so lange hin und her, bis ich ihn zu mir gedreht hatte. Meine Arme sind gottlob kräftig, darum gelang es mir, den Jungen halbwegs auf meinen Schoß zu ziehen. Irgendwie verfrachtete ich uns beide in meine Küche – dort ließ ich den Jungen zu Boden fallen. Ich machte Feuer, holte eine Decke, setzte Wasser auf, wischte dem armen Kerl Gesicht und Hände sauber, sammelte die Läuse und Maden von ihm ab und ertränkte sie.»
    Seine Nachbarn konnte Peter nicht um Hilfe bitten – sie hätten ihn womöglich an

Weitere Kostenlose Bücher