Deine Juliet
die Deutschen verraten. Der deutsche Feldkommandant hatte gesagt, jeder, der einem Zwangsarbeiter Unterschlupf bot, würde in ein Konzentrationslager deportiert oder auf der Stelle erschossen werden.
Peter wusste, dass am folgenden Tag ein Besuch von Elizabeth anstand – sie war seine Pflegerin und kam einmal in der Woche, mitunter auch öfter, zu ihm. Er kannte Elizabeth gut genug, um sich darauf zu verlassen, dass sie Stillschweigen bewahren und ihm helfen würde, den Jungen am Leben zu erhalten.
«Sie kam am nächsten Vormittag. Ich empfing sie an der Tür und sagte, drinnen warte Ärger auf sie, und wenn sie keinen Ärger wolle, solle sie lieber draußen bleiben. Sie verstand, was ich damit sagen wollte, nickte nur und ging stracks hinein. Sie presste die Zähne zusammen, als sie sich neben Lud auf den Boden kniete – er roch ziemlich streng –, aber sie machte sich unverzüglich an die Arbeit. Schnitt ihm die Kleider vom Leib und verbrannte sie. Badete ihn, wusch ihm die Haare mit Teerseife – das war eine schöne Schweinerei, wir mussten lachen, ob Sie’s glauben oder nicht. Entweder das oder das kalte Wasser ließen ihn wieder etwas zu sich kommen. Er war verdutzt – und verschreckt, bis er sah, wer wir waren. Elizabeth redete unverwandt leise auf ihn ein, nicht dass er ein Wort davon verstanden hätte, aber es beruhigte ihn. Wir schleppten ihn in mein Schlafzimmer – in der Küche konnten wir ihn nicht lassen, da hätten Nachbarn kommen und ihn entdecken können. Elizabeth nahm sich seiner an. Arznei war nicht aufzutreiben, aber sie besorgte Markknochen für eine gute Brühe und richtiges Brot auf dem Schwarzmarkt. Ich hatte Eier, und nach und nach kam er wieder zu Kräften, mit jedem Tag ein bisschen mehr. Er schlief viel. Manchmal musste Elizabeth nach Einbruch der Dunkelheit, aber noch vor der Sperrstunde kommen. Es war nicht ratsam, dass sie sich zu häufig bei mir blicken ließ. Die Leute schwärzten ihre Nachbarn an, wissen Sie – versuchten damit, sich bei den Deutschen liebKind zu machen oder ihnen Essen abzuschwatzen. Aber irgendwer hat doch Wind davon bekommen und geplaudert – ich weiß nicht, wer es war. Jedenfalls wurde es der Feldpolizei (das war ihr Deckname für die Gestapo) gemeldet, und an jenem Dienstagabend kamen sie. Elizabeth hatte Hühnerfleisch gekauft und geschmort und fütterte Lud damit. Ich saß bei ihm am Bett. Sie umstellten das Haus, mucksmäuschenstill, und kamen dann hereingestürmt. Tja, damit hatten sie uns, ganz klar. Wir waren auf der Stelle verhaftet, alle miteinander, und Gott weiß, was sie mit dem Jungen gemacht haben. Elizabeth und ich wurden nicht vor Gericht gestellt, sondern am folgenden Tag mit dem Schiff nach St. Malo gebracht. Da habe ich Elizabeth zum letzten Mal gesehen, als einer von den Gefängniswärtern sie auf das Schiff führte. Sie sah schrecklich verfroren aus. Nach der Ankunft in Frankreich habe ich sie nicht mehr gesehen, und ich wusste auch nicht, wo man sie hingeschickt hat. Mich steckten sie nach Coutance ins Landesgefängnis, aber dort wussten sie nicht, was sie mit einem Häftling im Rollstuhl anfangen sollten, deswegen haben sie mich eine Woche später wieder nach Hause geschickt. Und gesagt, ich sollte ihnen dankbar sein, dass sie Milde walten ließen.»
Peter erzählte noch, dass Elizabeth Kit immer bei Amelia ließ, wenn sie zu ihm ins Haus kam. Niemand wusste, dass Elizabeth mithalf, den Zwangsarbeiter zu pflegen. Er meint, sie habe alle in dem Glauben gelassen, dass sie Dienst im Krankenhaus tun musste.
Das ist das Grundgerüst, Sidney, aber Peter fragte, ob ich wiederkäme. Ich sagte ja, mit Freuden, und er sagte, ich solle keinen Brandy mehr mitbringen, nur mich selbst. Falls ich irgendwelche illustrierten Zeitschriften zur Hand hätte, würde er sie gern ansehen. Er möchte wissen, wer Rita Hayworth ist.
Liebste Grüße,
Juliet
Dawsey Adams an Juliet
26. Juli 1946
Liebe Juliet,
bald wird es Zeit für mich, Remy aus dem Hospiz abzuholen, aber da mir noch ein paar Minuten bleiben, nutze ich sie dazu, Ihnen zu schreiben.
Remy wirkt kräftiger als bei unserem Besuch im vergangenen Monat, aber sie ist immer noch sehr zerbrechlich. Schwester Touvier nahm mich beiseite und ermahnte mich – ich solle darauf achten, dass sie ausreichend zu essen bekommt, es immer warm hat und sich nicht aufregt. Sie müsse in Gesellschaft sein – in heiterer Gesellschaft, falls möglich.
Ich hege keinerlei Zweifel, dass Remy
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