Deine Juliet
Himbeeren sind auf einen Schlag reif. Ich pflücke sie heute Morgen, und heute Nachmittag backe ich Kuchen. Willst Du nicht mit Kit nachmittags zum Tee (Kuchen) kommen?
Herzlich,
Amelia
Juliet an Amelia
22. Juli 1946
Liebe Amelia,
es tut mir furchtbar leid – aber ich kann nicht kommen. Ich habe Besuch.
Herzlich,
Juliet
PS: Kit überbringt diese Nachricht in der Hoffnung auf das ein oder andere Stück Kuchen. Könntest Du sie den Nachmittag über bei Dir behalten?
Juliet an Sophie
24. Juli 1946
Liebe Sophie,
diesen Brief solltest Du wohl am besten verbrennen, ebenso wie den vorigen. Ich habe Mark endgültig und unwiderruflich abgewiesen und bin geradezu unanständig gut gelaunt. Wäre ich eine wohlerzogene junge Dame, würde ich die Vorhänge zuziehen und vor mich hin brüten, aber dazu bin ich außerstande. Ich bin
frei
! Heute Morgen sprang ich ausgelassen wie ein Lämmchen aus dem Bett und veranstaltete den ganzen Vormittag Wettrennen mit Kit auf der Weide. Sie hat gewonnen, aber nur, weil sie mogelt.
Der gestrige Tag war ein Graus. Du weißt, wie mir zumute war, als Mark so plötzlich auftauchte, doch am folgenden Morgen wurde es noch schlimmer. Um sieben in der Früh kreuzte er bei mir auf, strotzend vor Selbstvertrauen und fest davon überzeugt, dass wir bis mittags einen Hochzeitstermin festgelegt hätten. Er zeigte keinen Funken Interesse an der Insel oder an der Besatzungszeit, an Elizabeth oder daran, was ich seit meiner Ankunft getrieben habe, er stellte zu nichts von alledem auch nur eine einzige Frage. Dann kam Kit zum Frühstück herunter. Das überraschte ihn – er hatte sie am Abend zuvor wohl gar nicht richtig wahrgenommen. Er begegnete ihr freundlich, unterhielt sich mit ihr über Hunde, wartete aber ganz offensichtlich nur darauf, dass sie das Feld räumte. Ich vermute, er ist daran gewöhnt, dass Kindermädchen die Kleinen aus dem Zimmer scheuchen,bevor die Eltern sich belästigt fühlen könnten. Natürlich habe ich seine Gereiztheit ignoriert und Kit wie üblich ihr Frühstück bereitet, aber ich spürte förmlich, wie sich sein Missbehagen allmählich im Raum breitmachte.
Schließlich ging Kit zum Spielen hinaus, und kaum war die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen, sagte Mark: «Deine neuen Freunde müssen verdammt schlau sein – nach noch nicht mal zwei Monaten haben sie dir schon ihre Pflichten aufgehalst.» Er schüttelte den Kopf – bemitleidete mich wohl, weil ich ihnen so leicht auf den Leim gegangen war.
Ich starrte ihn nur entgeistert an.
«Sie ist ein niedliches kleines Ding, aber sie hat kein Anrecht auf dich, Juliet, und in dem Punkt musst du hart bleiben. Kauf ihr ein hübsches Püppchen oder sonst etwas und verabschiede dich, bevor sie am Ende noch denkt, du kümmerst dich ihr Lebtag um sie.»
Da verschlug es mir vor Zorn die Sprache. Ich habe mich immer gefragt, was die Menschen treibt, die mit Tellern und anderen Dingen um sich werfen – jetzt weiß ich es. Ich habe nicht mit Tellern nach Mark geworfen, aber viel fehlte nicht. Als ich meiner Stimme wieder mächtig war, wisperte ich: «Hinaus mit dir.»
«Wie bitte?»
«Ich will dich nie wiedersehen.»
«Juliet?» Er verstand überhaupt nicht, wovon ich redete.
Also gab ich eine Erklärung ab. Und fühlte mich unverzüglich besser, sobald ich klargestellt hatte, dass ich weder ihn noch sonst wen je heiraten würde, der keine besondere Zuneigung für Kit, Guernsey und Charles Lamb spürte.
«Was, zum Teufel, hat denn Charles Lamb mit der Sache zu tun?», bellte er (so klang es jedenfalls).
Ich verweigerte ihm weitere Erläuterungen. Er versuchte, mit mir zu streiten, mir mit Schmeicheleien zu kommen, mit Küssen, mit neuen Argumenten – aber es war vorbei, und selbster konnte die Augen nicht davor verschließen. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten – seit Anfang Februar, als wir uns kennenlernten – war ich mir sicher, ganz und gar richtig gehandelt zu haben. Wie hatte ich überhaupt jemals in Betracht ziehen können, ihn zu heiraten? Ein Jahr an seiner Seite, und schon hätte ich mich in eine jener erbarmungswürdigen, unsicheren Frauen verwandelt, deren Blick immer zu ihrem Gatten wandert, wenn jemand eine Frage an sie richtet. Bisher habe ich diese Art Frau immer verachtet, aber jetzt begreife ich, wie es so weit kommen kann.
Zwei Stunden später machte sich Mark auf den Weg zum Flugplatz, um (hoffentlich) nie mehr wiederzukommen. Und ich, zu meiner Schande mit gänzlich
Weitere Kostenlose Bücher