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Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Titel: Deine Lippen, so kalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Garvey
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verbringen Jess und ich so viel Zeit miteinander wie früher, auch wenn wir es nicht bei mir zu Hause tun.
    »Hallo«, erwidert Jess, und dann herrscht eine Weile Schweigen, eine Art absurdes Patt. Sie hatte angekündigt, dass sie Samstag viel erledigen müsse, sie sich aber heute melden würde. Das hat sie nun, doch ohne Darcia, die zwischen uns vermittelt, bin ich unsicher, was ich sagen soll. Jess geht es offenbar genauso.
    Aber Mom guckt mich an, während sie in ein Stück Paprika beißt, und ich ergreife die Flucht nach vorn.
    »Wir essen gerade.«
    Wieder herrscht kurz Schweigen, dann sagt Jess langsam. »Okay. Äh. Also was soll das mit Freitag?«
    Ich stelle sie mir in ihrem Zimmer vor, wie sie auf dem Rücken auf ihrem Bett liegt, die Knie angezogen, und dabei an die Decke starrt. Es ist ein großes Zimmer, größer als Darcias oder meins, aber sie haben auch ein größeres Haus. Jess’ Mom arbeitet in der Grafikabteilung einer Werbeagentur und ihr Dad ist Anwalt an der Wall Street, und Jess und ihr älterer Bruder Matt sind die einzigen Kinder.
    Sie sind wie eine dieser TV -Familien, nur ohne den seltsamen Typen von nebenan oder den gestörten Onkel. Und sie sind so normal und so nett zueinander, dass es beinahe langweilig ist. Ich frage mich immer mal wieder, ob wir eines Tages herausfinden werden, dass ihr Vater in Wahrheit ein Axtmörder ist, oder dass ihre Mom Koks schnupft und eine Affäre mit dem Poolboy hat. Sie haben sogar einen Pool, also ergibt dieser Teil einen gewissen Sinn.
    Wenn ich darüber nachdenke, frage ich mich oft, wie mein Leben wohl aussähe, wenn Dad uns nicht verlassen hätte. Ob er und Mom immer noch so unglaublich verliebt ineinander wären wie zu der Zeit, als ich ein Kind war. So wie die Eltern von Jess. Ob es etwas geändert hätte – an meinen Kräften oder dass ich mit Danny gegangen bin –, wenn er da gewesen wäre.
    »Was soll damit sein?«, frage ich in der Hoffnung, dass sie das peinliche Kieksen in meiner Stimme überhört.
    Jess seufzt. »Gott … ich weiß auch nicht, Wren. Wir haben dich seit Ewigkeiten nicht zu Gesicht bekommen, und jetzt veranstalten wir eine fröhliche kleine Pyjamaparty, als wäre alles klar zwischen uns? Das ist doch verrückt.«
    Sie hat recht. Es ist völlig absurd, und daran, dass es so ist, trage ganz allein ich die Schuld. Trotzdem zieht sich mein Herz bei ihren Worten zu einem festen, kleinen Knubbel zusammen.
    Und was soll ich ihr antworten, hier am Esstisch, während Robin Mom wegen eines Werwolffilms bequatscht, den sie sehen möchte, und Mom mir alle paar Sekunden einen kurzen Blick zuwirft, das Kinn in die Hand gestützt?
    »Sieh mal, wenn du nicht kommen willst«, sage ich, drehe mich eine Idee zur Seite und senke die Stimme, »dann sag es einfach. Ich meine, ich hatte gedacht … ich weiß nicht, was ich gedacht habe.«
    Jess seufzt wieder, sie klingt erschöpft.
    »Nein, ich möchte ja. Ich finde es nur so ätzend, dass wir … Ich weiß auch nicht. Streiten wir gerade? Ich kann es nicht mal mehr sagen.«
    »Wir streiten nicht.« Ich weiß, dass Mom mich hören kann, obwohl ich so leise wie möglich spreche. »Wir müssen es jedenfalls nicht.«
    »Hast du deine Mom wegen Freitag gefragt? Ist sie einverstanden?«
    Früher war sie immer einverstanden. Mom freut sich jedes Mal, wenn Jess und Darcia kommen. Es macht ihr nichts aus, wenn ich bei einer von ihnen bin, aber sie liebt es, wenn ich Freunde mit nach Hause bringe. Weil sie mich dann im Auge behalten kann? Schon möglich. Manchmal denke ich, sie genießt einfach den Krach, das Leben im Haus.
    »Nein, aber das werde ich. Du weißt, sie wird nichts dagegen haben«, sage ich und grunze, weil Robin mir den Ellbogen in die Rippen stößt, als sie sich nach etwas bückt, das ihr runtergefallen ist.
    »Schön.« Sie klingt immer noch nicht restlos überzeugt und inzwischen sieht Mom mich mit gerunzelter Stirn an. Robin steht auf, um ihren Teller abzuräumen, es ist höchste Zeit, die Kurve zu kriegen.
    »Ich ruf dich nachher an«, sage ich zu Jess. »Ich muss auflegen.«
    »Nun, ich werde hier sein und mit Finchs Trigeometrieaufgaben ringen, bis sie sich mir ergeben und um Gnade winseln. Falls ich nicht rangehe, bin ich wahrscheinlich vor Erschöpfung ins Koma gefallen.«
    Endlich klingt sie wieder ein bisschen wie sie selbst, und ich grinse, als ich mich von ihr verabschiede. Vielleicht wird es funktionieren. Vielleicht bin ich völlig grundlos panisch.
    Da fällt mir Moms

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