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Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Titel: Deine Lippen, so kalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Garvey
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»Danny, hast du die Leiter runtergelassen?«
    »Ich höre dich besser, wenn ich es mache«, sagt er und schenkt mir sein schönstes Lächeln. Offen, strahlend, absolut ehrlich – ich habe dieses Lächeln so oft gesehen, wenn wir uns nach der Schule auf dem Parkplatz getroffen haben, oder wenn er von einer Zeichnung hochsah, während ich auf dem Sofa lernte, oder wenn er im Bett den Kopf von den Kissen hob, die Wangen rot und schlaftrunken.
    Einen Moment möchte ich die Hand ausstrecken und seine Lippen mit den Fingern nachziehen, mir die großzügige Linie seines Mundes aufs Neue einprägen, aber ich weiß, wenn ich es tue, wird der Moment ruiniert sein. Dannys Mund ist nun zu kalt, die Lippen sind nicht mehr so weich wie früher und das ist stets eine Mahnung. Danny – mein Danny – ist fort. Was ich zurückgebracht habe, ist nur ein Abklatsch.
    Stattdessen umschließe ich mit den Fingern sanft sein Handgelenk, mein Daumen streicht über die Stelle, wo sein Puls einst schlug. »Das darfst du nicht machen, Danny. Erinnerst du dich? Wir haben darüber geredet. Es ist nicht sicher.«
    Sein Lächeln verschwindet so rasch, wie es gekommen ist, und als er sich zu mir beugt, wird mir klar, dass ich starr vor Angst bin.
    »Aber du bist nicht hier«, sagt er mit einem leisen Flüstern. »Du bist so oft nicht hier, Wren. Ich brauche dich hier. Ich habe es dir wieder und wieder gesagt, wenn du nicht hier bist, kann ich nicht denken, Wren. Ich kann es nicht, alles ist verschwommen und ich sehe den Baum und rieche den Rauch, und ich kann nicht denken …«
    Meine Hand zittert, als ich sie nach oben strecke, um seinen Mund zu berühren und den wütenden Wortschwall zu unterbrechen. Ihn schüttelt es ebenfalls, etwas Wildes und Rasendes tobt in ihm, und ich muss das beenden, ich muss etwas tun.
    Für den Moment kann ich nur seine Wange streicheln und murmeln: »Schlaf jetzt, Danny, schlaf. Ich bin bei dir, schlaf, schlaf …«
    Heute Abend dauert es ein paar Minuten, bevor es funktioniert, und er umklammert die ganze Zeit meine Hand, seine kalten Finger drücken eisern zu. Als er sich schließlich hinlegt, streiche ich ihm ein paar Minuten über das Haar, bis sein Griff sich lockert und ich frei bin.
    Am Fuß der Treppe benutze ich den Besenstiel, um sie zurück nach oben zu stoßen, und lausche auf das schwere Klick , das bedeutet, dass sie dort oben fest verankert ist. Und während ich mir meinen Weg über den in völliger Dunkelheit liegenden Rasen suche, pocht mein Herz wie verrückt, weil ich daran denke, was er über den Baum und den Rauch gesagt hat.
    Er hat von dem Baum auf seinem Bild gesprochen. Es ist der Baum, der bei dem Unfall aufgerissen wurde. Der Baum, der ihn getötet hat.

Kapitel zwölf
    E ine weitere lange Nacht voller Alpträume muss mir ins Gesicht geschrieben stehen, denn am nächsten Morgen ist Mom die reinste Glucke. Sie weicht mir nicht von der Seite, betrachtet mich prüfend über ihren Kaffee hinweg, nachdenklich, rätselnd, misstrauisch.
    Ich versuche mich unauffällig zu verhalten, während ich meinen Kaffee in mich hineinschütte. Seit Tagen habe ich Mom keine Wäsche gegeben, und ich trage den Pulli, den ich am wenigsten mag, und einen Jeansrock, den ich sonst nur unter Protest anziehe. Mom weiß das auch, denn sie hat eine Augenbraue gehoben, als ich in die Küche gekommen bin, das Haar noch nass und in alle Richtungen abstehend.
    Sie macht jedoch nicht mal eine spitze Bemerkung über rechtzeitiges Wäschewaschen, was ihr so was von überhaupt nicht ähnlich sieht, dass ich misstrauisch werde.
    Robin blubbert genug für alle, wie üblich, verteilt großzügig Milch über ihr Müsli und – wie ich nach halber Koffeinzufuhr realisiere – erzählt Mom alles über Mr Purrfects großes Abenteuer. Ich pruste beinah meinen Kaffee aus, als sie sagt: »Und dann haben wir ihn in der hintersten Ecke gefunden, als wäre er in Mrs Petrellis Garten gewesen.«
    Eigentlich hat es keine Bedeutung – er ist eine Katze, er kann und wird überall rumstreifen – aber alles, das Aufmerksamkeit auf die Garage zieht, ist schlecht. Und ich mache es mit meiner Reaktion nur noch schlimmer, weil Mom mich jetzt mit gerunzelter Stirn ansieht, so als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen.
    »Wren?«
    »Ich habe mich an meinem Kaffee verschluckt«, sage ich und werfe ihr ein schwaches Lächeln zu, bevor ich mir meinen Rucksack schnappe. »Ich muss heute Abend arbeiten, also werde ich erst spät heimkommen.«
    Ich bin aus

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