Deine Lippen, so kalt (German Edition)
dem Haus, bevor sie mir eine Antwort geben kann, aber während ich zur Schule laufe, sehe ich ihren Gesichtsausdruck vor mir: neugierig anstelle von besorgt, zumindest für den Moment.
Ich kann nur hoffen, dass es so bleibt.
Die Schule ist die Hölle. Gabriel erwartet mich beim Anwesenheitscheck, seine grauen Augen hängen unverwandt an mir, sobald ich den Raum betrete, und ich bilde ein stummes Später mit den Lippen, während ich ihm einen wütenden Blick zuwerfe. Ich kann jetzt nicht über Danny reden und schon gar nicht hier. Gabriels Unmut ist beinah mit Händen greifbar, er schlägt mir hitzig entgegen.
Vor dem Chemieraum laufe ich Ryan über den Weg, was immer unangenehm und schwierig ist, und als ich schließlich in der Cafeteria ankomme, wo Jess auf mich wartet, war ich noch nie so versucht wie in diesem Moment, einfach vor allem davonzulaufen. Oder mich zu einem Ball zusammenzurollen und loszuheulen, direkt hier auf dem schmierigen Boden. Jess sprudelt nur so über vor Klatsch und Tratsch und Plänen für Freitagnacht – anscheinend möchte sie irgendeine neue Vampirromanze auf DVD ausleihen – und ich schaffe es gerade so zu nicken und versuche ein Lächeln.
Der Gedanke an Danny ist wie ein Zahnschmerz, der sich immer wieder bemerkbar macht. Ich frage mich, ob er noch in der Garage ist – wo er sein sollte, wo er sicher ist – und fürchte mich davor, an wie viel von dem Unfall er sich wieder erinnert. Sämtliche Lügen und Halbwahrheiten scheinen unter meiner Haut zu brennen wie Feuer, und als ich nach der Schule ins Bliss marschiere, braucht es nur einen Blick, und Trevor bellt: »Was zum Teufel ist los mit dir?«
Ich benötige jedes Quäntchen Willenskraft, das ich besitze, um ihn nicht allein durch die Kraft meiner Wut von seinem Stuhl zu fegen. Stattdessen stolziere ich in die Küche und pfeffere meinen Rucksack in die Ecke. »Deine bessere Hälfte ist ein echter Menschenfreund, weißt du das?«
Geoff seufzt und hebt den Blick von den Sandwiches, die vom Mittag übrig sind und die er gerade für die Tafel in Plainfield fein säuberlich verpackt. »Ich schicke ihn mit denen hier los, hm? Seine Laune ist heute wirklich nicht die beste.«
Geoff lässt mich in Ruhe, sobald Trevor weg ist, aber er macht eine meiner Lieblings- CD s an, während ich die Tische abwische und das Chaos beseitige, das Trevor jedes Mal auf dem Tresen hinterlässt. Nach ein paar Minuten entspanne ich mich und lasse mich von der Arbeit ablenken, mache Latte Macchiatos und Espressos, serviere Geoffs fantastischen Möhrenkuchen und gebe ihm eine Salatbestellung nach hinten durch. Es ist nicht irre viel los, aber es sind genügend Gäste da, um mich beschäftigt und auf Trab zu halten, was perfekt ist.
Das Bliss war schon immer eine Art Zuflucht für mich, sogar bevor ich den Job hier bekommen habe. Es hat noch seine Originalkupferdecke, auch wenn sie jetzt silbern gestrichen ist, und das sichtbare Mauerwerk aus rotem Backstein an der Ostseite des Raumes ist mit der Zeit verblasst, abgenutzt durch unzählige Berührungen. Kein Tisch und Stuhl passt zum anderen, aber Geoff hat sie alle im selben Schokoladenbraun gestrichen und mit leuchtend grünen und lila Sitzpolstern bezogen. Überall hängt gerahmte Kunst, die man kaufen kann, und es gibt einen Tisch mit Indie- CD s und Büchern von Autoren aus der Region. Alles, was Trevor im Umgang mit echten Menschen fehlt, ist anscheinend in einen grünen Daumen geflossen. Seine Grünlilien und Farne stehen überall, und im Café herrscht immer eine gemütliche, warme und lebendige Atmosphäre.
Ich genieße die Ruhe, als die Glocke über der Tür schellt und Gabriel hereinspaziert.
Mir gelingt es, vor Überraschung über meine Füße zu stolpern und gleichzeitig die Sprühflasche mit Glasreiniger fallen zu lassen. Geoff, der gerade ein neues Tablett mit Plätzchen in die Kuchenvitrine stellt, hebt eine Augenbraue, als Gabriel sich bückt, um die Flasche für mich aufzuheben. Einfach großartig. Als bräuchte ich ein weiteres Mitglied in meinem Erschießungskommando.
Geoff hat Danny geliebt. Alle liebten Danny, klar, aber Geoff hat sich immer gefreut, wenn Danny vorbeikam, und ließ ihn manchmal in der Küche sitzen und zeichnen, während er backte und meine Schicht noch nicht zu Ende war. Er und Trevor sind sogar zur Beerdigung gekommen, haben das Café geschlossen und alles, und Geoff hat ein paar von Dannys Bildern hinter der Theke aufgehängt, wo jeder sie sehen kann, der sich
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