Deine Seele in mir /
Ultraschallbilder unseres Kindes, auf denen man bereits deutlich das Profil erkennen kann.
»Wissen Sie schon, was es wird?«, möchte Fred wissen.
Ich nicke. »Wir bekommen ein Mädchen.« Den beiden entgeht, Gott sei Dank, der bittere Beigeschmack meines Lächelns.
»Und Sie?«
»Keine Ahnung! Wir haben beschlossen, uns überraschen zu lassen«, erwidert Fred grinsend.
»Hat Amy vorzeitige Wehen, oder was stimmt nicht?«
Carolyn erweist sich als hartnäckig.
»Ja, vorzeitige Wehen«, lüge ich schnell.
Kurz darauf verabschieden sich die beiden mit ihren besten Wünschen für Amy. Ich blicke ihnen versonnen nach, als sie Arm in Arm auf ihr urgemütlich wirkendes Holzhaus zuschlendern. Ein tiefes Seufzen entringt sich mir bei diesem friedlichen Bild.
Ein wenig erstaunt stelle ich fest, dass ich mich – entgegen meiner sonst so zurückhaltenden Art – jetzt schon auf die Zeit mit den beiden freue.
Einige Tage später stehe ich gemeinsam mit Tom an dem großen Tisch über den Bauzeichnungen unseres Hauses. Tom ist völlig in die Planungen der nächsten Wochen vertieft. Die Erdarbeiten sind so gut wie abgeschlossen, das Fundament kann nun gegossen werden, und Tom hat bereits die Sägearbeiten der einzelnen Holzbalken in Auftrag gegeben.
»So ein Holzhaus muss solide gebaut werden, Matt. Am oder sogar
im
Wasser zu bauen ist ein Kapitel für sich. Bei uns wird nichts schlampig zusammengenagelt. Wir werden solide bauen. Wie bei einem riesigen Puzzle wird sich ein Teil in das andere fügen. Alles wird perfekt passen, du wirst schon sehen.«
Er schwärmt noch eine Weile vor sich hin, bis er meine Zurückhaltung bemerkt.
Bedächtig schiebt er seine Brille zurück an die Nasenwurzel und lässt sein Lineal sinken, als wäre er plötzlich zu schwach, es weiterhin zu halten.
»Matt, was ist los? Du hast mich gebeten, dieses Haus für euch zu bauen, und ich tue es. Ist irgendetwas nicht nach deinen Vorstellungen? Wenn ja, dann sag es mir bitte. Noch können wir Änderungen vornehmen.«
»Nein, Tom! Um Gottes willen, nein! Es ist alles exakt so, wie wir es uns immer vorgestellt haben.«
»Was ist es dann? Raus damit! Jetzt geht es endlich richtig los und du schaust, als hätte das Ganze überhaupt nichts mit dir zu tun. Ich dachte, dieses Haus war immer dein Traum? Euer Traum.«
Schuldbewusst sehe ich ihn an und lasse mich seufzend in den Sessel fallen. »Ich weiß. Und du hast recht, es tut mir leid! Es war mein Traum, aber vor allem habe ich mir immer wieder erträumt, dieses Haus mit Amy zu bauen. Sie war immer Teil meiner Vorstellungen – der wichtigste Teil –, auch, wenn mir das vielleicht nicht immer bewusst war. Ehrlich – ich denke, das ist auch der einzige Grund dafür, dass ich dieses Haus nicht längst schon gebaut habe. Ich hätte es tun können, aber ich wollte es überhaupt nicht. Nicht ohne sie.«
Nun nimmt Tom die Brille von seiner Nase und reibt sich müde über die Augen. Er nickt verständig. »Ja, Matt, ich weiß, wie sehr sie dir fehlt. Uns genauso. Aber denkst du denn wirklich, dass sie dich gerne so sähe? Sie würde wollen, dass du dieses Haus baust und endlich beginnst, wieder zu leben. Hör auf, Trübsal zu blasen! Das schwächt dich nur, und du brauchst deine Kraft für Amy und das Baby. Sie wird stolz auf dich sein, sollte sie eines Tages erwachen und dich mitten in diesem erfüllten Traum wiederfinden. Und wenn sie nicht erwacht, Matt, dann beginnt dennoch ein neues Leben für dich. Spätestens, wenn du deine kleine Tochter in dieses Haus holst. Denn glaub mir, so ein kleines Wesen kann dein Leben ganz schön auf den Kopf stellen.«
Ja, meine Tochter.
Unsere
Tochter!
Toms Worte verfehlen ihre Wirkung nicht. Er hat recht!
Am nächsten Morgen fahre ich ein Stück weit raus. Mein Ziel ist eine Bootshandlung, etwa dreißig Meilen nördlich von Papen City. Als ich die Schwelle übertrete, läutet die Klingel des kleinen Verkaufsbüros. Ein alter Mann, kaum größer als der Tresen, hinter dem er sich sofort erhebt, lächelt mir freundlich, wenn auch ein wenig zahnlos, zu.
»Guten Morgen. Kann ich Ihnen helfen?«, fragt er.
»Bestimmt. Ich suche ein kleines Boot. Etwas Simples. Und, bitte, aus Holz.«
»Ein Ruderboot?«
»Ja, ein Ruderboot. So wie eine übergroße Nussschalenhälfte sollte es aussehen«, versuche ich meine Vorstellung zu verdeutlichen.
»Nussschale, hm. Ja, ich verstehe.«
Der kleine Mann tapst mir entgegen. Seine gekrümmte Haltung und die tiefen Falten in dem
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