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Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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eigenen Schlüssel, und so bemerken die bereits Anwesenden – zu sehr in ihr Gespräch vertieft – mich erst, als ich den großen Wohnraum betrete. Es ist eigenartig für mich, Kristin und Tom so unbeschwert lachen zu hören.
    Meine eigene Gelassenheit hat sich inzwischen wieder gelegt; nach einem kurzen Aufflackern hat sie sich der deutlich stärkeren Macht meiner Verzweiflung ergeben. So kommt mir die gute Laune, die Kristin und Tom haben, nun fast wie ein Verrat an ihrer Tochter vor, was natürlich Blödsinn ist. Denn sicher hat Tom recht. Amy würde wollen, dass wir glücklich sind. Was hat sie auch von unserer Verzweiflung?
    »Hallo Matt!«, ruft Kristin mir zu. Wie automatisch greift sie nach der Teekanne, um mir einzuschenken. Wilson und Diane erheben sich zur Begrüßung.
    Ein wenig müde schüttele ich den beiden die Hände und beantworte ihre Fragen nach meinem Befinden so knapp es nur geht, ohne dabei unhöflich zu sein. Schlagartig wird mir bewusst, dass meine Erschöpfung eine neue, bleierne Tiefe erreicht hat.
    Schnell entschuldige ich mich, um Amy zu begrüßen, die ich seit dem Mittag nicht mehr gesehen habe.
    Regungslos liegt sie da; ihr Anblick ist bitter-süß, wie immer.
    Jedes Mal, wenn ich die Türklinke zu ihrem Zimmer herabdrücke, weiß ich, welches Bild mich erwartet, und doch hoffe ich jedes Mal erneut auf eine Änderung.
    Ich gebe ihr die Augentropfen. Dann ziehe ich sie quer auf das Bett, stelle ihre Füße auf den Boden und richte ihren Oberkörper langsam auf. Vorsichtig bringe ich sie von der sitzenden Position in den Stand. Es ist immer wieder bemerkenswert, wie sie sich auf den Beinen hält. Katheder, Magensonde, Tropf – nichts macht sie selbständig, doch sie steht. Kerzengerade. Diese Starre, in der sie sich befindet, ist wirklich außergewöhnlich. Nicht einmal John oder Megan kennen ein vergleichbares Beispiel.
    Ich mache die Gymnastik mit ihr, massiere und knete ihre Waden und Oberschenkel, während ich vermutlich ungehört von den Ereignissen meines Tages berichte.
    Als ich sie wieder hingelegt habe, schiebe ich ihr T-Shirt ein wenig hoch und betrachte ehrwürdig ihren Bauch, der sich mittlerweile schon recht deutlich wölbt. Langsam beuge ich mich herab und küsse die warme Haut um ihren Nabel. Es ist die einzig warme Stelle an ihrem ganzen Körper, der in mehrfacher Hinsicht wie erfroren wirkt.
    »Hallo Baby!«, sage ich sehr leise. »Ich weiß, du könntest längst einen Namen haben, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass deine Mom ihn für dich aussucht. Wirklich, sie könnte dich Euselia nennen, es wäre mir egal. Na ja, vielleicht nicht egal, aber ich würde jeden Namen akzeptieren, ohne den geringsten Widerspruch, wenn nur deine Mom ihn aussuchen würde.«
    Gedankenverloren streichele ich über Amys Bauch, dann nehme ich die Flasche mit dem Massageöl, verteile ein wenig davon in meinen Händen und beginne mit einer sanften Massage.
    Die Haut ihres Bauches ist sehr gestrafft. Außerdem fällt es mir leichter, mit unserer Tochter zu sprechen, wenn meine Hände Amy dabei berühren.
    »Soll ich dir etwas verraten, Baby? Es ist vermutlich nicht das, was ein Vater seiner Tochter sagen sollte, aber ich habe verdammte Angst. Ich weiß nicht, ob ich das alles schaffe. Mit dir, meiner Arbeit und deiner Mom. Vor allem aber habe ich Angst davor, dass du sie nicht richtig kennenlernst. So, wie sie wirklich ist, meine ich. Stark und glücklich, unglaublich liebevoll, voller Leben. Sie wäre mit Sicherheit die beste Mom der Welt. Und ich fühle mich so hilflos, weil ich absolut nichts tun kann, um sie zurückzuholen. Zurück zu mir – und dir.«
    Wieder einmal schlucke ich vergeblich an dem dicken Kloß in meinem Hals. »Aber, weißt du was? Wir haben noch ein paar Monate, und vielleicht geschieht ja doch noch das Wunder, für das wir alle beten. Ich werde nicht aufgeben, mir das zu wünschen.«
    Ich zupfe das T-Shirt zurück über Amys Bauch und decke sie mit einem dünnen Laken zu. Trotz des warmen Wetters und der Hitze, die sich über den Tag im Obergeschoss des Hauses aufgestaut hat, lässt mich das Gefühl nicht los, dass Amy friert. Sie ist so schrecklich kalt. Noch einmal küsse ich sie behutsam auf die weichen, kühlen Lippen.
    Relativ lustlos schlendere ich wieder nach unten, einzig und allein angetrieben durch meine mir anerzogene Höflichkeit. Müde setze ich mich zu den anderen an den großen Tisch.
    »Alles klar bei Amy?«, fragt Tom, und sofort sind alle Augen

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