Deine Seele in mir /
dabei immer unglücklicher. Ohne dass es ihr eigentlich an etwas fehlte.
Kristin und Tom dagegen haben wirklichen Kummer, doch sie nehmen das Leben so, wie es ihnen gegeben ist, und versuchen jeden Tag erneut, das Beste daraus zu machen. Ich bewundere sie zutiefst für ihre scheinbar unerschöpfliche Geduld mit ihrer Tochter.
Meine Gedanken drehen sich für einige Minuten um Julie, die mich ohne Zweifel in ihren Bann gezogen hat. Auf welche Weise, ist mir selbst nicht klar.
Da fällt mir etwas ein. Vielleicht würde auch ihr eine Massage guttun. Julie sitzt fast immer in dieser zusammengekauerten Position auf dem harten Fußboden.
»Dort sitzt sie am liebsten«, hatte Tom gesagt.
Im Schneidersitz, schaukelnd und summend, verbringt sie einen Großteil ihres Tages. Für ihre Wirbelsäule und die gesamte Rückenmuskulatur ist diese dauerhafte Haltung das pure Gift, so viel ist klar.
Ich beschließe, Tom und Kristin das Angebot zu machen, ihre Tochter zu massieren – kostenlos, versteht sich.
Julie.
Was ist es bloß, was mich an dieser sonderbaren jungen Frau so sehr fasziniert?
Als ich Mrs Jordan verabschiedet habe und die Abrechnung für ihre Patientenakte auf den Riesenschreibtisch lege, sieht Mary zu mir auf. Ihr Blick wird immer tiefgründiger, sie kneift die Augen prüfend zusammen.
»Hey, was ist denn das? Sie lächeln ja«, bemerkt sie schließlich.
Mit zur Seite geneigtem Kopf schaue ich sie an. »Ich weiß ja, dass ich ein ziemlicher Langweiler bin, aber es ist doch nicht das erste Mal, dass Sie mich lächeln sehen. Oder, Mary?«
Schnell schüttelt sie ihre Mähne. »Nein, das nicht. Aber Sie lächeln niemals so verträumt vor sich hin wie gerade eben. Ihr Lächeln ist sonst immer nur eine Reaktion.« Sie zieht die Augenbrauen zusammen und spricht die folgenden Worte betont abgehackt und nüchtern, in ihrer tiefsten Stimmlage. »Sie lächeln sehr kurz, meist nur angedeutet und zweckgebunden und eigentlich immer etwas … hm …«
Mit schiefem Mund und geschürzten Lippen scheint sie nach dem richtigen Wort zu suchen. »Ja, Ihr Lächeln hat immer etwas latent Melancholisches an sich. Aber das von eben war völlig anders. Es war ... ehrlicher… und … fast glücklich.«
»So, so«, erwidere ich und kratze über meinen Nacken.
Mary ist wirklich die Seele dieser Praxis, ohne Frage. Es ist fast ein wenig beängstigend, wie genau sie mich kennt. Das muss ich ja nicht unbedingt zugeben. Langsam beuge ich mich über den Tresen zu ihr herab.
Mit großen, offenen Augen begegnet sie meinem Blick.
»Was immer Sie nehmen, Mary, nehmen Sie weniger davon«, necke ich sie flüsternd.
Es gelingt mir, mich schnell genug abzuwenden – noch bevor ihr Schlag meinen Oberarm treffen kann.
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III. Kapitel
I ch weiß nicht. Was denkst du, Tom?« Unentschlossene Blicke durchkreuzen den Raum und bleiben auf der Suche nach der richtigen Lösung aneinander haften. Das ist nicht gerade die Reaktion, die ich mir ausgemalt hatte. Schließlich biete ich Kristin und Tom meine Dienste für Julie kostenlos an, das hatte ich doch wohl deutlich gemacht. Ehrlich gesagt hatte ich mit etwas mehr Euphorie gerechnet.
Tom zuckt – es wirkt fast gleichgültig – nur mit den Schultern.
Als Kristin, ähnlich verhalten wie ihr Mann, wieder zu mir schaut, bemerkt sie meine Enttäuschung.
»Oh, bitte entschuldige, Matt.« Ihre Hand legt sich über meine. »Es ist so lieb von dir, dass du uns das anbietest. Dass du dir überhaupt solche Gedanken machst, aber ... es ist sehr schwierig für uns, Entscheidungen wie diese zu treffen. Wenn uns Julie sagen könnte, was sie will, oder wenn wir wenigstens sicher sein könnten, dass unsere Erklärungen wirklich zu ihr durchdringen, dann wäre es leichter. Aber so ... Wir können einfach nicht wissen, was sie davon hält, dass ein noch relativ fremder Mann sie massieren soll, und dass ... na ja, dass wir sie dann vor dir entkleiden müssten.«
Ihre Erklärung ist Kristin offensichtlich ziemlich peinlich, und auch Tom scheint es da nicht anders zu gehen. Er kratzt sich am Hinterkopf und lacht verlegen auf, dann schüttelt er den Kopf. »Kristin, das klingt fast so, als ob Matt etwas Unanständiges mit Julie im Sinn hätte. Es geht doch nur um eine Massage.«
Er sieht seine Frau so eindringlich an, als wolle er sie an meine Professionalität erinnern. »Ich denke, Matt hat recht. Sieh sie dir doch an, wie sie dasitzt. Ich könnte nicht den ganzen Tag so sitzen. Und, ehrlich, wenn unsere
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