Deine Seele in mir /
Erklärungen, warum Matt sie massieren soll, nicht zu ihr durchdringen, dann kriegt sie wahrscheinlich auch von der Massage selbst nichts mit, oder? Ich finde ...« Er zögert noch kurz, doch dann nickt er entschlossen. »Ja, ich finde, einen Versuch ist es bestimmt wert.«
»Bitte ...«, werfe ich ein, »es sollte nur ein Angebot sein. Und dieses gilt natürlich auch weiterhin. Ihr könnt mich jederzeit beim Wort nehmen, wenn ihr euch einig seid.«
»Nein!« Kristin schaut gedankenvoll auf unsere Hände, denn noch immer ruht ihre auf meiner. Unter ihren winzigen Fingern wirkt meine Hand wie eine Pranke. »Tom hat recht.« Dann hebt sie den Kopf und sieht entschlossen zu mir auf.
»Eine Massage für Julie wäre großartig, Matt.«
Ich hatte einige Tage gewartet, Julies Eltern mein Angebot zu unterbreiten. Jetzt bin ich mir nicht einmal mehr sicher, ob ich es überhaupt hätte tun sollen. Ich wollte niemanden bedrängen. Bereits seit einer guten Woche bin ich nun schon jeden Morgen und jeden Abend hier, und das gemeinsame Abendessen ist fast schon zu einer Art Ritual geworden. Tom und Kristin behaupten standhaft, dass es das Wenigste sei, was sie tun könnten, um sich zu revanchieren, und ich genieße die Stunden mit ihnen wirklich.
Auch diesen Abend verbringen wir in dem großen Wohnraum.
Die Holzscheite des knisternden Feuers scheinen geheimnisvolle Geschichten aus Zeiten zu erzählen, als sie noch Stämme von Bäumen waren, deren Äste sich im rauen Wind wiegten. Draußen schneit es gemächlich vor sich hin. Der Geruch von frischem Brot und heißem Tee erfüllt mich mit Zufriedenheit. Ich fühle mich sehr wohl im Kreise dieser besonderen kleinen Familie. Abende wie diese erinnern mich an Momente, die zwar lange schon vergangen sind, die ich jedoch niemals in meinem Leben vergessen werde und von denen ich bis heute noch schmerzlich zehre. Bei dem Gedanken an meine Eltern bildet sich ein dicker Kloß in meinem Hals. Ich versuche vergeblich, ihn mit Tee herunterzuspülen.
Als ich die Tränen hinter meinen Augen spüre, wende ich den Blick ab und bleibe prompt an Julie hängen. Sie sitzt, wie so oft, auf dem Fußboden vor dem Sofa, auf dem Tom nach wie vor liegen muss. Wie gewöhnlich schaukelt sie in diesem präzisen Rhythmus; ihr Blick geht ins Leere.
Ihre Bewegungen sind so akkurat, dass sie fast schon mechanisch wirken – wie eine Uhr, deren Pendel absolut korrekt ausschlagen.
Sie fasziniert mich!
Als wir vor acht Tagen zum ersten Mal zusammen aßen, war ich schier fassungslos gewesen, als ich sah, wie sich Julie plötzlich erhob und zum Tisch ging, als wäre es das Normalste der Welt. Sie setzte sich und begann, selbst ständig zu essen.
»Wie kann das sein?«, fragte ich ihre Eltern erstaunt. »Ihr habt doch gesagt, die Ärzte seien der Meinung, sie bekäme so gut wie nichts von ihrer Außenwelt mit. Wie kann sie dann in der Lage sein, ohne Hilfe zu essen? Sie weiß doch offensichtlich, dass es genau jetzt Essen gibt, dass dies hier ihr Platz ist und dass exakt hier die Butter steht, oder nicht?«
»Ja, das weiß sie.« Tom nickte. »All ihre körperlichen Bedürfnisse erledigt sie selbst ständig. Wenn sie müde ist, legt sie sich hin – aber nur in ihr eigenes Bett. Wenn sie sich erleichtern muss, sucht sie die Toilette auf, und wenn sie Hunger hat, geht sie sogar an den Kühlschrank und mopst sich ein Stück Käse.« Er lachte. «Wir halten uns strikt an unseren eingespielten Tagesrhythmus, um ihr das Leben zu erleichtern. Morgens, Punkt acht, gibt es Frühstück, um eins dann Mittagessen und um sechs Uhr abends Abendbrot. So ist das schon immer.« Achselzuckend sah Tom mich an, und Kristin reichte mir den Korb mit dem Brot.
»Genauso gibt es auch strikte Zeitfenster für alle anderen Aktivitäten«, erklärte sie mir. »Anziehen, Zähne putzen, Haare bürsten – alles geschieht in einer bestimmten Reihenfolge, jeden Tag. Mit Julie gibt es kein Wochenende und keine Ferien, keine Auszeit von der Routine.«
Es wunderte mich, dass Kristins Ton bei diesen Worten nicht wehmütig klang, doch sie lächelte. Nicht einmal ihre Augen zeigten Betrübnis, als Tom fortfuhr.
»Die Ärzte sind der Auffassung, dass Julie diesen beständigen Rhythmus braucht, um sich einigermaßen zurechtzufinden. Was bleibt uns anderes übrig, als ihnen Glauben zu schenken?«, presste er unter einem bitteren Lachen hervor.
Wie immer versuchte er, sich seine Verzweiflung nicht anmerken zu lassen, doch ich spürte, dass er
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