Deine Seele in mir /
ihre Stimme zurück. »Es gibt nichts Schlimmeres als unfähiges Personal. Aber das kennen Sie sicherlich auch, oder?« Ihr Blick trifft auf Mary, die mir in diesem Moment ein Formular zur Unterschrift hinhält und aufgrund dieses Angriffs hilfesuchend zu mir aufblickt. Ich schenke ihr ein Lächeln, bevor ich den Kugelschreiber entgegennehme und blind unterschreibe, was auch immer sie mir da gerade gereicht hat.
»Nein, ich kann wirklich sagen, dass ich mit der Leistung unserer Angestellten sehr zufrieden bin«, erwidere ich und zwinkere Mary unauffällig zu. Ihre Augen weiten sich, bevor sie sich mit einem triumphierenden Grinsen der Patientin zuwendet, die sie von allen am meisten hasst. Mit betont erhobenem Kopf und einem fast schon majestätisch stolzen Gang verschwindet sie schließlich wieder hinter ihrem Schreibtisch.
»Sie Glücklicher! Ich sollte Sie einstellen, als Personalberater«, witzelt Mrs Jordan und lacht schrill über ihre Bemerkung. Noch bevor ich mit der Hand in die Richtung meines Behandlungsraumes weisen kann, stöckelt sie bereits vor mir her. Sie redet, wie üblich, ohne Punkt und Komma – ausschließlich von sich selbst und von all den Dingen, die sie so sehr in ihrem Leben stören.
»Ich brauche Ihre Massage wirklich dringend, um diesen schrecklichen Tag zu überstehen. Er hat schon furchtbar angefangen. Haben Sie die Börse gesehen? Heute scheint es noch schlimmer zu werden als gestern – und gestern war es wirklich schon grausam genug ...«
Mit wütendem Schwung pfeffert sie ihre Tasche auf den Sessel und entkleidet sich hinter dem nur nachlässig zugezogenen Umkleidevorhang, während auch ich meinen Mantel ablege und meine Hände wasche. Ihr Mundwerk steht nicht für einen Augenblick still.
»… Ich sage zu ihm, ›Du verkaufst bei 85 Dollar‹. Und was tut er? Er verpasst den Moment und verkauft bei 84,85! Wissen Sie, wie viel Geld uns das gekostet hat? Nur eine kleine Unaufmerksamkeit, und weit über 10.000 Dollar sind im Eimer. Einfach weg! Es ist ja nicht etwa so, dass wir mit ein, zwei Aktien handeln, wir verwalten enorme Vermögen. Sie würden sich wundern, Mr Andrews, welche berühmten Persönlichkeiten wir zu unseren Kunden zählen. Da darf so ein Fehler einfach nicht passieren, das ist unverzeihlich. Natürlich musste ich ihn auf der Stelle feuern, das versteht sich von selbst …«
Während ich meine Hände zunächst gründlich abtrockne und dann mit ein wenig Rosenöl, welches sie am liebsten hat, knete und aufwärme, achte ich gerade genug auf ihren Monolog, um an den richtigen Stellen ein »Oh« oder ein »Aber natürlich« einfließen zu lassen.
Mrs Jordan ist neunundvierzig Jahre alt und das Abbild einer Person, die, meiner Ansicht nach, genau die falschen Dinge des Lebens verfolgt. Sie ist ständig im Stress, ständig unzufrieden mit ihrem momentanen Lebensstil, ihrem Äußeren und dem Status, den sie mittlerweile erreicht hat und eigentlich längst schon genießen könnte.
Sie ist eine der Frauen, die Dinge mit ihrem Körper haben anstellen lassen, für die manch ein Gebrauchtwagenhändler in den Knast gewandert wäre. Gescheitert auf der Suche nach der ewigen Jugend, verbittert, weil sie den Kampf gegen das Alter – trotz all der Operationen und all des Verzichts, den sie ständig lebt – langsam aber sicher zu verlieren scheint. Unwillig den Lauf der Natur zu akzeptieren, und außerstande, jemandem oder etwas die Kontrolle über sich zu gewähren.
Dass sie aus tiefster Überzeugung kinderlos geblieben ist, unterstreicht sie gerne mit Sätzen, wie »diese kleinen Bälger sind einfach Gift fürs Inventar«, oder »so ein Rotzbengel kostet an Unterhalt genauso viel wie mein Porsche – aber mein Porsche widerspricht mir nicht.«
Bereits zum dritten Mal verheiratet, berichtet sie mir laufend von den Unzulänglichkeiten ihres derzeitigen Mannes und davon, dass sie es sicher nicht mehr lange mit diesem ›Schmarotzer‹, wie sie ihn gerne betitelt, aushalten wird. Wenn sie die nächste Schönheitsoperation hinter sich gebracht hat, wird sie sich wohl auch von ihm trennen, erzählte sie mir erst kürzlich.
Oh, man hört so viele Dinge, wenn man massiert. Doch all die Geständnisse und Erzählungen, die die Lippen meiner Patienten verlassen, sind absolut nichts gegen die Geschichten, die mir ihre Seelen anvertrauen.
Meine Hände gleiten über die Körper der unterschiedlichsten Menschen. Egal ob alt oder jung, dick oder dünn, arm oder reich, schön oder
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